Strafarbeit für Verfassungsschutz

Berliner Landesamt für Verfassungsschutz darf Auskunft über mögliche Bespitzelung einer Anwaltskanzlei nicht generell ablehnen / Teilerfolg für Anwalt des Schmücker-Verfahrens vor Berliner Verwaltungsgericht  ■  Aus Berlin Vera Gaserow

Der Berliner Verfassungsschutz hat fehlerhaft gehandelt, als er im April dieses Jahres dem Rechtsanwalt Philipp Heinisch und seiner Mandantin Ilse Schwipper die Auskunft darüber verweigerte, ob die Anwaltskanzlei von einem eingeschleusten Spitzel ausspioniert worden ist. Mit dieser schallenden Ohrfeige für die Verfassungsschützer beschied das Berliner Verwaltungsgericht am Mittwoch abend den Antrag des Anwalts, der mit einer einstweiligen Verfügung von der Behörde die vollständige Aufklärung dieser Spitzelaffäre verlangt hatte.

Diesem „bisher singulären Fall von gravierender Bedeutung“, so Verwaltungsrichter Markworth am Mittwoch, lag ein bisher nicht ausgeräumter, ungeheuerlicher Verdacht zugrunde: Im Frühjahr 1988 hatte Anwalt Heinisch von einem NDR -Journalisten aus „zuverlässiger Quelle“ erfahren, daß das Telefon seiner Anwaltskanzlei und seiner Wohnung von 1975 bis 1980 abgehört worden sei. Wenige Monate später verdichtete sich der Verdacht der Bespitzelung, als der 'Spiegel‘ erfahren hatte, daß der Verfassungsschutz zusätzlich einen Spitzel namens Christian Hain in die Anwaltskanzlei eingeschleust habe, der über mehrere Monate die rechte Hand des Anwalts war.

Der Spitzelverdacht machte Sinn, denn Rechtsanwalt Heinisch ist seit mehr als zehn Jahren Verteidiger in dem inzwischen längsten Strafverfahren der deutschen Justizgeschichte, dem sogenannten Schmücker-Prozeß. Der Verfassungsschutz spielt dort eine maßgebliche Rolle. V-Mann Hain, so berichtete damals der 'Spiegel‘, habe auf diese Weise dem Anwaltsgeheimnis unterliegende Informationen und Prozeßstrategien an Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Der als V-Mann verdächtigte Christian Hain hat inzwischen zwar öffentlich bestritten, jemals Informant des Verfassungsschutzes gewesen zu sein. Trotzdem verklagte er den 'Spiegel‘ weder auf Widerruf noch auf Schadensersatz wegen Verleumdung. Einzig eine magere Gegendarstellung schickte er dem Nachrichtenmagazin ins Haus.

Auch der Berliner Verfassungsschutz dementierte den Verdacht der Bespitzelung des Anwalts bisher nicht. Aus „grundsätzlichen, sicherheitsmäßigen Überlegungen“ sei man nicht bereit, „Aussagen über den Einsatz geheimer Mitarbeiter zu machen“. Desweiteren betrachte man es nicht als Aufgabe des Verfassungsschutzes, „Organe der Rechtspflege zu überwachen“.

Zu konkreteren Aussagen ließen sich die Vertreter des Berliner Innensenats auch in der Gerichtsverhandlung nicht hinreißen. Zum Zwecke des Informantenschutzes dürfe man weder bestätigen noch dementieren, ob es sich bei einer bestimmten Person um einen V-Mann handle oder nicht.

Beim Gericht und der im Publikum versammelten Berliner Anwaltschaft verursachten die Aussagen großen Ärger. Was denn ein Anwalt tun solle, wenn er aus der Presse von einem solchen Bespitzelungsverdacht erfahre, wollten die Richter wissen. „Er kann ja die Presse auf Auskunft verklagen“, antwortete die Vertreterin des Innensenats beleidigt, „warum denn immer die Behörde?“

So einfach darf es sich der Verfassungsschutz nicht machen, entschied das Gericht und gab den nachrichtendienstlichen Behördenvertretern eine Strafarbeit auf: Versehen mit deutlichen Auflagen des Gerichts muß der Verfassungsschutz nun eine auf den konkreten Einzelfall bezogene präzise Entscheidung treffen. Was die Telefonüberwachung anbetrifft, dürfen die amtlichen Schnüffler jedoch weiter schweigen. Hierzu muß erst eine Genehmigung der Alliierten eingeholt werden, ob sie einem solchen Verfahren vor einem deutschen Gericht zustimmen, - und auf diese Genehmigung wird man in Berlin wohl ewig warten können.