Alternativas - faul und fleißig zugleich

■ Studie im Alternativsektor zeigt: Frauen haben eine andere Arbeitsmoral als Männer Sie arbeiten zwar kürzer, aber dafür häufiger „ehrenamtlich“

Die alte faule Ausrede ist nicht aus der Welt zu schaffen. „Wir finden keine geeignete Bewerberin.“ Das sagen 30,5 Prozent der hessischen Alternativbetriebe, die zugleich behaupten, Arbeitsplätze quotieren zu wollen. Margreth Mevissen stellt deshalb in Auswertung einer Studie, die sie zusammen mit Burkhard Bluem und Frank Heider erstellte, fest: „Grundsätzlich kann ein großer Teil der geäußerten Quotierungsansprüche wohl als völlig unverbindliche Absichtserklärungen interpretiert werden, die ebenso wie im konventionellen Bereich zumeist in dem Momemt über Bord geworfen werden, wenn sie anderen Interessen oder den sogenannten Sachzwängen entgegen stehen.“ Befragt worden waren 244 Alternativbetriebe in Hessen. Im Untersuchungszeitraum - Juli 1986 bis Januar 1987 arbeiteten dort 828 Frauen und 1.045 Männer. Damit lag der Frauenanteil mit 44,2 Prozent insgesamt etwas höher als in bürgerlichen Betrieben (38,4 Prozent). Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, daß etliche der untersuchten Betriebe Frauenprojekte waren. Ansonsten ist es auch bei den Alternativen wie gehabt: Die Frauen pflegen und sorgen, verkaufen und lehren, die Männer schrauben und drehen, schreinern und schlossern. „In einzelnen Bereichen“, so die Studie, nämlich bei Autoreparatur-, Elektroinstallations und Schreinereibetrieben, „waren überhaupt keine Frauen anzutreffen.“ Dennoch äußerten auch reine Männerbetriebe in schöner Unschuld gegenüber den BefragerInnen, sie wollten eigentlich sehr gerne quotieren.

Eines der signifikantesten Ergebnisse erhielten die AutorInnen zur Arbeitszeit. Frauen arbeiten in ihren Betrieben wesentlich kürzere Zeit als Männer, nämlich durchschnittlich 29 Stunden pro Woche. In gemischten Betrieben wird bei gleichem Lohn 38,5 Stunden lang geschafft, in der reinen Männerwirtschaft 41 Stunden. Dies ist allerdings nur möglich, weil in Frauenprojekten sehr viel mehr „Ehrenamtliche“ unbezahlt zuarbeiten. Auf 2,5 bezahlte kommt dort ein unbezahlter Arbeitsplatz, in Männerbetrieben auf 10,7 bezahlte nur eine unbezahlte Stelle.

Kinderbetreuung während der Arbeitszeit ist die Ausnahme und findet nur in zehn Betrieben statt. Kindergeld zahlten nur 57 Betriebe, im Durchschnitt 150 bis 200 Mark Netto.

Frauen haben andere Motive bei der Gründung eigener Betriebe als Männer. Sie gaben in der Mehrzahl an, hier die Möglichkeit zu gesellschaftsverändernder Politik zu sehen. Das gehört bei zwei Dritteln der Frauenbetriebe zu den Gründungszielen, bei den Männern nur bei 12,3 Prozent. Sie sind eher ökonomisch orientiert.

Außerdem ergab die Studie, daß Frauen vorwiegend in den Positionen arbeiten, für die sie auch qualifiziert sind. Männer schaffen sich eher in Berufe und Aufgaben hinein, von denen sie vorher keine Ahnung hatten. Die AutorInnen schließen daraus aber auch, daß Frauen, bevor sie eingestellt werden, schon reichlich nachweisen müssen, daß sie das können, was sie tun wollen. Bei Männern werde bei der Einstellung wohl eher ein Auge zugedrückt und ihnen zugetraut, daß sie die Qualifikation schon noch erwerben werden.

Die Studie ist noch von der vormaligen rot-grünen hessischen Landesregierung in Auftrag gegeben worden. Sie ist erst jetzt unter dem Titel Fast wie im wirklichen Leben. Strukturanalyse selbstverwalteter Betriebe in Hessen im Focus Verlag, Gießen, erschienen.

Heide Platen