Minister und Medien in Trizonesien

Erste Ausstellung in den provisorischen Räumen des „Hauses der Geschichte“ in Bonn eröffnet / Thema: „Medien vor vierzig Jahren“ / Über die Räume verteilt gerade soviel Kritik wie unbedingt nötig  ■  Aus Bonn Oliver Tolmein

Politische Kultur in der Bundesrepublik ist, wenn Bundeswohnungsbauminister Schneider eine Ausstellung über „Medien vor vierzig Jahren“ eröffnet und dabei, Ernst Jünger zitierend, über den Freiheitswillen der Deutschen räsonniert. Ein Freiheitswille, der - das weiß der Minister

-so richtig erst zum Durchbruch kommen konnte, nachdem die Alliierten ihre Reeducation-Programme beendet hatten. Kanzleramtsminister Schreckenberger, Donnerstag mittag ebenfalls zur Eröffnung der ersten Ausstellung in den provisorischen Räumen des „Hauses der Geschichte“ vorbeigekommen, klatschte begeistert: so wie Minister Schneider sprach, hatte sich sein Kanzler Kohl die Sinnstiftung durch die ins Museum gepackte Geschichte vorgestellt. Anekdoten über Adenauer, ein unvermitteltes, aber um so lautstärkeres Bekenntnis zu „Berlin, das die Hauptstadt der Deutschen ist und bleibt“, und beharrliches Repetieren des Wortes „Freiheit“.

Die Ausstellungstafeln weisen, wenn auch vornehm zurückhaltend, darauf hin, daß die Freiheit, die Herr Schneider meint, keineswegs eine unbeschränkte ist: „Nach der Gründung der Bundesrepublik 1949 ist die Rundfunkordnung der Besatzungszeit Ziel zahlreicher Angriffe... Die Unzufriedenheit deutscher Politiker in den Ländern über den mangelnden Einfluß von Regierungen, Parlamenten und Parteien führt zur Verabschiedung neuer Rundfunkgesetze, die eine Vergrößerung der Einflußmöglichkeiten mit sich bringen.“ Wie sich diese auswirken, was Konrad Adenauer sich genau gedacht hat, als er sich den Rundfunk als „politisches Führungsmittel der Bundesregierung“ wünschte - darüber schweigt sich die Ausstellung aber diskret aus.

Gerade soviel Kritik an den Verhältnissen, wie unbedingt nötig ist, um nicht in den Verdacht der Geschichtsklitterung zu geraten, das scheint das Motto des Konzeptionsteams unter Leitung des Koblenzer Museumsdirektors Ulrich Löber gewesen zu sein. So wird hier auch die Legende, daß es auch nur in einem einzigen Medienbereich einen radikalen Neuanfang gegeben hat, nirgendwo gestrickt: die Tätigkeit Henri Nannens als Schreiber für NS-Zeitungen findet Erwähnung, auf die ungebrochene Karriere des „Jud Süß„-Regisseurs Veit Harlan als Nachkriegs-Heimatfilmer wird hingewiesen und auf die Tätigkeit etlicher Journalisten des neuen Rundfunks für die alte NS-Sendeanstalt. Präziser dargestellt wird aber nichts - Schlüsse gezogen werden ebenfalls keine: stattdessen stehen vestreut im Ausstellungssaal imposante und weniger imposante Rundfunkempfänger, darf man einen ordentlich in der Mitte des Raumes aufgebauten Trümmerhaufen anfassen und den US-Army-Jeep daneben bewundern.

An einem nachgebauten Bretterverschlag werden Nachdrucke der Erstausgaben von 'Stern‘, 'Spiegel‘, 'WAZ‘, 'FAZ‘ und 'Frankfurter Rundschau‘ verteilt: „Die Verlagshäuser haben uns diese Ausgaben kostenlos und ohne jede Bedingung zur Verfügung gestellt - ein schönes Beispiel für die gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die wir gerne fortsetzen möchten“, freut sich Ulrich Löber und kassiert dafür begeisterten Applaus der EröffnungsbesucherInnen.

Ansonsten allerdings spielt die Ökonomie keinerlei Rolle: Pressekonzentration taucht nicht einmal mal als Stichwort auf. Wer wissen will, was Henri Nannen und Gerd Bucerius außer hehrem Idealismus bewogen hat, Zeitungsimperien aufzubauen und wie sie Konkurrenten ausgetrickst haben, erfährt in dem Buch Erich Kubys „Der Fall 'stern'“ mehr und Besseres als beim Besuch in der Bonner Ausstellung. So wird nur eine zwar anschauliche, aber historisierende Momentaufnahme der Medienlandschaft vor 40 Jahren präsentiert, keine jedoch, die deren Entwicklungen verstehen hilft.

„Solide gemacht“, lobt ein Luftwaffenoberst, der sich an solchen Mängeln nicht stört, die Ausstellung und guckt interessiert in ein nachgestelltes Fünfziger-Jahre -Wohnzimmer mit „Medientruhe“. Ein junger Leutnant, wohl in Sachen Staatsbürgerkunde unterwegs, interessiert sich vor allem für die Alarmanlage, die anfängt zu piepen, wenn er einem Volksempfänger im Hörfunkraum zu nahe tritt. Dort werden gerade der letzte Wehrmachtsbericht, ein „Bordgespräch“ von Hans-Dieter Hüsch und der Trizonesien -Song abgespielt: „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien / heidi dschimmela, dschimmela, dschimmelabumm / Wir haben Mägdelein mit feurig Wesien / heidi dschimmela, dschimmela, dschimmelabumm / Wir sind zwar keine Menschenfresser / doch wir küssen umso besser...“ Wie sagte doch Kanzler Kohl: „Das Haus der Geschichte soll zeigen, woher wir kommen und wohin wir gehen.“