Kurdische Tragödie

■ Völkermord an den irakischen Kurden

Die Bilder gleichen sich, die Berichte könnten 13 Jahre alt sein. Wie 1975 schon einmal, ziehen lange kurdische Flüchtlingstrecks aus ihrem Siedlungsgebiet im Nordirak über die türkische und iranische Grenze, wie 1975 richtet die irakische Luftwaffe grauenhafte Gemetzel unter der kurdischen Zivilbevölkerung an, und wie schon 1975 hat der Zusammenbruch der kurdischen Guerilla dieselbe Ursache: ein Arrangement zwischen Iran und Irak auf Kosten der Kurden.

So wie seinerzeit der Schah die irakischen Kurden fallenließ, als er sich mit Saddam Hussein am Rande einer OPEC-Konferenz auf einen neuen Grenzverlauf am Schatt al Arab einigte, so haben die Kurden jetzt nach Abschluß des Waffenstillstandsvertrags für die Mullahs ausgedient. Keinen Tag hat der „Schlächter von Bagdad“ gezögert, seine Truppen nach Norden zu schicken, um diesmal zu vollenden, was ihm 1975 nicht ganz gelungen war: den Völkermord an den irakischen Kurden.

Seit 40 Jahren kämpft dieses Volk für einen eigenen Staat oder zumindestens eine Autonomieregelung. Dabei ist es wie kaum ein anderes von den jeweils Mächtigen instrumentalisiert und verraten worden. Doch die Tragödie ist auch selbstverschuldet. Allen kurdischen Führern mußte bei Ausbruch des Golfkrieges klar sein, daß dies die letzte Chance ist, die Grundlagen für den Traum vom eigenen Staat zu schaffen. Doch statt die Zusammenarbeit über die Grenzen zu suchen, wurden die alten Fehler wiederholt. Erst bekämpften die konkurrierenden Organisationen sich untereinander, dann ließen die irakischen Kurden sich von Teheran einspannen, ohne auf ihre Brüder im Iran Rücksicht zu nehmen.

Lachender Dritter in dieser Tragödie, die auch in der Weltöffentlichkeit meistens verdrängt wird, ist das Regime in Ankara. Als Gipfel der Verhöhnung müssen die Kurden es nun hinnehmen, daß sich ausgerechnet Özal und die türkische Militärclique als eine den humanistischen Idealen verpflichtete Samaritertruppe aufspielen kann. Nicht nur, das die türkische Armee anfangs noch die Flüchtlinge mit vorgehaltener Maschinenpistole in den Bombenhagel der Iraker zurücktrieb und erst später, vor den Massen, kapitulierte zu den Kurden im eigenen Land verhalten die türkischen Machthaber sich kaum anders als die Iraker: Mord und Totschlag seit 60 Jahren. Und auch jetzt bewahrheitet sich wieder eine alte kurdische Erfahrung - die Mächtigen dieser Welt stehen der Tragödie teilnahmslos gegenüber.

Kurt Ullusch