SPD lehnt deutsche „Blauhelme“ ab

Nach heftiger Debatte lehnte Parteitag Beteiligung an UN-Truppen ab / SPD-Linke lieferten sich Pro und Contra / Nürnberger Beschlußlage zum deutsch-amerikanischen Beistandspakt trickreich verwässert  ■  Aus Münster Ch. Wiedemann

Der SPD-Parteitag in Münster wies am Donnerstag abend mit großer Mehrheit den Vorstoß einiger Bundestagsabgeordneter zurück, durch eine Grundgesetzänderung den Einsatz deutscher Soldaten in UN-Truppen möglich zu machen. In der heftig geführten Debatte traten vor allem der SPD-Linken zugerechnete RednerInnen gegeneinander an. Die Initiatoren des Vorschlags um Hermann Scheer und Norbert Gansel warben dafür, das verfassungsrechtliche Verbot von Bundeswehr -Einsätzen außerhalb des NATO-Gebiets durch eine Grundgesetz -Änderung „wasserdicht“ zu machen und dabei gleichzeitig deutsche „Blauhelme“ als Sonderfall zu legalisieren.

Gansel: „Deutsche Minensuchboote im Golf unter UN-Flagge kann ich eher verantworten als deutsche Fregatten (zur US -Entlastung) im Mittelmeer.“ Die Soldaten der UN-Friedens -truppen seien „die wahren Helden unserer Zeit“. Scheer: „Unser Ziel ist die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik.“ Für eine weltweite Friedensordnung sei „ein internationales Gewaltmonopol“ nötig, deutsche Beteiligung daran eine Konsequenz „aus der historischen Verantwortung“.

Wer so argumentiere, habe „das Verhältnis zur deutschen Geschichte verloren“, hielt Anke Brunn dagegen: „Ich möchte nicht, daß deutsche Truppen auf den Golan-Höhen stehen, auch nicht mit Blauhelmen.“ Vor allem die auch von Horst Ehmke geäußerte Befürchtung, die Debatte nütze nur den Konservativen als „erster Schritt zum Out-of-area-Einsatz der Bundeswehr“, überzeugte offensichtlich die Delegierten. Obwohl sich Willy Brandt zuvor verhalten für einen UN -Einsatz ausgesprochen hatte, mochten die Delegierten nicht einmal Gansels Bitte folgen, die Frage vorerst offen zu halten.

Wie die SPD mit NATO-kritischen Beschlüssen, die der Parteiführung nicht passen, herumlaviert, wurde in Münster beim Reizthema „Wartime Host Nation Support„-Abkommen (WHNS) deutlich: die Kündigung dieses unter Helmut Schmidt geschlossenen deutsch-amerikanischen Beistandspakts hatten die Delegierten vor zwei Jahren in Nürnberg überraschend verlangt. Doch in der Bundestagsfraktion weigerten sich führende Sicherheitspolitiker, den Beschluß umzusetzen. Erst nach langem Drängen reichten sie im Mai diesen Jahres einen Antrag an die Bundesregierung ein, der scheinbar naiv die Erfüllung zweier unerfüllbarer Bedingungen fordert: die Regierung soll versichern, daß die Amerikaner nur bei der „Vorneverteidigung“ von der Bundesrepublik unterstützt werden müssen (und nicht bei Kriegs-Einsätzen in der „Dritten Welt“) und daß der Bundestag bei der Feststellung dieses Spannungsfalls nicht übergangen wird. Diese Verwässerung des Parteitagsbeschlusses wollte der Sicherheitspolitiker Ehmke nun in Münster absegnen lassen. Um den zunächst unwilligen Delegierten diese „Trickserei“ (Konrad Gilges) schmackhaft zu machen, mußte der SPD-Chef Vogel persönlich intervenieren: er verbürge sich dafür, daß die Fraktion die Kündigung des WHNS-Abkommens verlangen werde, wenn die Regierung die gestellten Bedingungen nicht erfüllen könne. Eine knappe Mehrheit hob daraufhin brav die Hand für den Ehmke-Antrag.

Klar sprach sich der Parteitag gegen Modernisierung vorhandener Atomraketen und gegen Neurüstung als Ersatz für wegverhandelte Mittelstreckenraketen aus.