AKW-Genehmigung erneut vor Gericht

Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Genehmigung des AKWs Mühlheim-Kärlich von 1975 / Tricks von damals bringen Betreiber und Genehmigungsbehörde ins Schwimmen/Entscheidung nächste Woche  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin(taz) - Voraussichtlich Ende kommender Woche wird das Bundesverwaltungsgericht in Berlin entscheiden, ob das AKW Mülheim-Kärlich, das seit August 1987 Strom liefert, noch einmal abgeschaltet werden muß. Am Freitag verhandelte der siebte Senat des Gerichts über die Revisionsklage eines Anwohners gegen die erste Teilerrichtungsgenehmigung (TEG), die am 9. Januar 1975 erteilt wurde. Im Vorfeld der Verhandlung hatte der Beschluß des Senats, dem Kläger Walther Thal Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, Spekulationen über mögliche Erfolgsaussichten der Revisionsklage ausgelöst.

Im Zusammenhang mit der ersten TEG hatten Genehmigungsbehörde und Betreiber einen Schachzug verabredet, bei dem der Gerichtspräsident noch heute rote Ohren bekommt. Keine zwei Wochen nachdem die Behörde die Genehmigung damals erteilt hatte, stellte der Betreiber einen sogenannten „Freigabeantrag“, in dem das AKW zwar auf demselben Gelände, aber an anderer Stelle nicht mehr in der sogenannten Kompaktbauweise errichtet werden sollte. Der Antrag wurde prompt genehmigt. Damit rückte der Reaktor herunter von einer Tonschicht im Rheintal. Gegen diesen Standort hatte es beim Betreiber RWE schon 1973 intern Bedenken gegeben. Das wußte natürlich auch die Genehmigungsbehörde lange vor Erteilung der ersten TEG. Mit ihrem Trick ersparten sich die Beteiligten aber eine erneute öffentliche Auslegung und Erörterung. Erklärt das BVerwG die TEG jetzt letztinstanzlich für rechtswidrig, käme eine Abschaltung des AKW in greifbare Nähe.

Am Freitag zeichnete sich noch eine andere Entscheidungsmöglichkeit des Gerichts ab. Die Bundesverwaltungsrichter ließen während der Verhandlung Zweifel erkennen, ob das OVG Koblenz richtig entschied, als es den Kläger in der Vorinstanz zurückwies, weil er seine Sicherheitsbedenken bezüglich der Erdbebensicherheit nicht genügend konkretisiert habe. Sollten die höchsten Richter diese Entscheidung für falsch erklären, käme es wohl zur Zurückverweisung an das OVG Koblenz, wo dann neu über Sicherheitsbedenken des Klägers verhandelt werden müßte.