Guter Stern und bremische Wissenschaft (III)

■ Projekt-Kooperation mit Daimler / Von der Diplomarbeit über die Rohwasser-Aufbereitung im Produktionsprozeß bis zum „Hochrotationszerstäuben von Lacken“ / Geheimnisvolles Fraunhofer-Institut / taz-HighTech-Serie, der siebten Folge dritter Teil

„Overspray“ sieht die Daimler-Benz-Produktionsleitung nicht so gerne. Lacke bringen nur dann Geld, wenn sie schön gleichmäßig auf den Karossen verteilt werden - teuer wird's, wenn mehr versprüht wird als unbedingt nötig. Werkzeuge, Einrichtungen, Luft und Klamotten müssen mit aufwendigen Verfahren von Farbresten gereinigt und diese zusammen mit den Lösungsmitteln wiederum entsorgt werden. „Hochrotationszerstäuben von Lacken“ heißt das gemeinsame Projekt von Werk und dem Fachbereich Produktionstechnik der Uni. Die Untersuchungen laufen im Hause Daimler, auch das benötigte Labor steht dort. StudentInnen der Fachrichtungen Verfahrenstechnik, Produktionssystematik und Werkstoffwissenschaften werden dort im Berufspraxis -Semester, bei Studien

und Diplomarbeiten betreut.

Das gemeinsame Projekt des Fachbereichs Psychologie mit dem Werk wird seit drei Jahren im Rahmen der Wissenschaftlichen Einheit „Handlung und Wahrnehmung“ abgewickelt und trägt den Titel „Handlungslogik von kritischen Ereignissen in der Arbeitswelt“. Es geht um Arbeitsunfälle im Daimler-Benz-Werk Bremen. Der Psychologe Theo Wehner, der das Projekt initiiert hat, will nach den „fehlerrobusten“ und „fehlertoleranten“ jetzt „fehlerverzeihende“ Technologien. „Wir fragen uns: Wo können wir Fehler zulassen, Unfälle aber verhüten?“

Und da die Automobilindustrie ohnehin Trägerin der entwickelsten Arbeitsmodelle ist, war Wehner auch froh, bei Daimler auf großes Entgegenkommen zu stoßen. Die Kosten des Projektes,

rund 0,5 Millionen Mark, werden vom Bonner Forschungsministerium bezahlt; Daimler hat die Ausfallzeiten der „verunfallten“ Beschäftigten finanziert, die von den Psychologen mehrere hundert Stunden lang interviewt worden waren. Wehner will jetzt eine Verlängerung der Untersuchung beantragen, um die theoretischen Ergebnisse auch in der Praxis umzusetzen.

Beim Fachbereich Informatik beschränkt sich das Kooperationsverhältnis auf Praktika, Dissertationen und Diplomarbeiten über die EDV-Logistik im Werk, während sich eine Vielzahl von Diplomarbeiten am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft mit Organisation, Projekt -Management und der Nutzung von Personal-Computern bei Daimler-Benz befaßt. Außerdem gibt es ein Seminar, in dem Projektmanager üben können, und regelmäßige Workshops für Führungskräfte aus den betriebswirtschaftlichen und technischen Abteilungen.

Die Hochschulen

Die Zusammenarbeiten mit dem Fachbereich Elektrotechnik an der Hochschule Bremen beschränkt sich auf die üblichen Exkursionen, Praktika und Diplomarbeiten. Beim Fachbereich Maschinenbau geht die Kooperation durch persönliche Verbindungen weit darüber hinaus (siehe taz vom 31.8.).

Aus dem Fachbereich Betriebs-und Versorgungstechnik der Hochschule Bremerhaven kam bislang nur eine Diplomarbeit über die Rohwasser-Aufbereitung im Produktionsprozeß; aus dem Fachbereich Transportwesen und Systemanalyse steuerte Pro

fessor Günter Matthiessen eine kleine Untersuchung bei: Wie muß der Datenfluß bei der Ausrüstung von Daimler-Limousinen mit Einzelwünschen aussehen, wenn ein Großrechner ausfällt und Kleinrechner dessen Aufgaben übernehmen müssen?

Eine regelrechte Domäne von Bremerhaven-AbsolventInnenen ist aber die Daimler-Abteilung Werksplanung - 60 Prozent der dort Beschäftigten kommen aus dem Studiengang Transportwesen, ein bis zwei DiplomandInnen sind regelmäßig im Werk, und Themen werden gleich von dort vorgeschlagen. „Das sind Probleme, die die dort haben, aber aus Zeitgründen nicht lösen können“, sagt Professor Wolfgang Bartscher. Gemeinsame Forschungsprojekte gibt es allerdings nicht.

Forschungs-Institute

Ganz geheimnisvoll gibt sich das Fraunhofer-Institut für angewandte Materialforschung (IFAM) auf die Frage, woran im Auftrag von Daimler-Benz geforscht wird. „Öffentlichkeits„-Arbeiter Uwe Echterhoff kühl: „Dazu erfahren sie von mir nichts. Vertraulichkeit gehört zu unseren Geschäftsbedingungen.“ Kein Wunder - 70 Prozent des Umsatzes erzielt das Lesumer Institut mit Rüstungsforschung.

Zur Konzernzentrale in Stuttgart unterhält das IFAM seit 1975 Beziehungen, die Kontakte zum Werk Bremen begannen zwei Jahre später. Die Materialforscher sind in den Bereichen Oberflächentechnik, Struktur- und Verbundwerkstoff-Technik und Fehlerbeseitigung vor Ort tätig.

„Mit Rüstungsaufträgen haben

wir nichts zu tun. Da werden wir immer mit dem Fraunhofer -Institut verwechselt“, sagt der Leiter der Abteilung Strukturdynamik des Instituts für Werkstoff-Technik (IWT), Dr. Bomas, wie aus der Pistole geschossen. Das IWT arbeitete schon nach dem Krieg an Borgward-Aufträgen; die Kontakte setzten sich dann zu Daimler-Benz fort.

Abgeschlossen ist eine Untersuchung des Aluminium -Druckgusses, der für Teile des Anti-Blockier-Systems in den Nobel-Karossen verwendet wird. Derzeit arbeitet das IWT an einem aus Bonn geförderten Projekt, das sich mit der Verschleißminderung etwa von Nockenwellen beschäftigt. Hochbeansprucht sind auch andere Stähle, die als Motorenteile verwendet werden und im Daimler-Nutzen zum Untersuchungsgegenstand der IWT-WissenschaftlerInnen gerieten: Wie weich oder hart werden Hochleistungsstähle, wenn sie während der Herstellung etwa mit Wasser oder Öl abgeschreckt werden?

Die Zusammenarbeit mit dem Bremer Werk beschränkt sich auf kleine Kooperationen - „wenn sie Probleme mit ihren Werkzeugen haben“, sagt der IWT-Abteilungsleiter für Oberflächentechnik, Dr. Stock. Gehen beim Umformen oder Fräsen Werkzeuge kaputt oder nutzen sie zu schnell ab, werden die Ursachen geprüft oder etwa eine Versuchsbeschichtung aufgebracht.

Seit 1985 bestehen zwischen dem Werk und dem Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaften (BIBA) Forschungsbeziehungen bei der Produktionsplanung, -steuerung und -logistik. In der

BIBA-Projektliste taucht Daimler-Benz nicht auf; nur eine Diplomarbeit über die Simulation von Montagelinien war zu entdecken.

„Keine aktuellen Projekte“ meldet auch Werner Jüptner, stellvertretender Leiter des Bremer Instituts für Angewandte Strahltechnik (BIAS), eine der führenden Forschungseinrichtungen für den Einsatz der Laser -Technologie im Automobilbau. Fast alle bundesdeutschen Autobauer gehören zur BIAS-Kundschaft. Zwei größere Projekte, an denen Daimler jeweils beteiligt war, sind inzwischen abgeschlossen. Als Korrosionsschutz werden einige Bleche nicht verzinkt, sondern phosphatiert - die Bremer entwickelten 1982/83 ein Verfahren, um die Phosphatierungsqualität mit einer Video-Kamera zu überwachen. Das Verfahren war erfolgreich, wird aber nicht beim BIAS weiterverfolgt, sondern an der Uni in Stuttgart. „Das kann schon mal passieren“, sagt Jüptner - zuweilen geht es mit Aufträgen auch umgekehrt. Beim anderen größeren Projekt wurde 1985/86 das Laserschweißen von Karosserieteilen untersucht.

Seit 1980 werden für das Werk in Bremen „kleinere Dinge aus der aktuellen Produktion“ (Jüptner) erforscht - „das Werk hat einen kleinen Pott frei, aus dem in begrenztem Umfang Entwicklungsarbeiten finanziert werden können“.

Die ersten beiden Teile der Folge erschienen am 29. und 31. 8. Und jetzt, liebe LeserInnen, ist Schluß. Demnächst fülle ich nach Kräften die Wirtschaftsseite der taz Berlin. Tschühüss...

mc