Flammenschwert und Speerspitze Gottes

Der Fuldaer Erzbischof Dyba führt einen Kreuzzug gegen den „Ungeist“ der pluralistischen Gesellschaft / „Glaubenserneuerung“ ohne liberale Kollegen, Frauenemanzipation und Laien im Kirchenbetrieb / „Zucht und Sitte“ gegen „widernatürliche Unzucht“ / Für den Oberhirten ist die Abtreibung ein „Kinderholocaust“  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Fulda/Frankfurt (taz) - Für die einen ist er das „Flammenschwert Gottes“ und die „Speerspitze des deutschen Episkopats“, für die anderen ein „Rechtsradikaler im Bischofsgewand“ (Fritz Hertle/die Grünen). Die Rede ist vom Fuldaer Erzbischof Dr. Johannes Dyba, der seit 1983 zu Fulda mit harter Hand den Krummstab schwingt.

Seit den Auseinandersetzungen um eine äthiopische Asylbewerberin aus Fulda, der das dortige Sozialamt die Übernahme der Kosten für eine sozial indizierte Abtreibung verweigerte, ist der Gottesmann in seiner Raserei wider die „gottlose kindermörderische Generation“ (Dyba) im hessischen Landtag die Inkarnation des fanatischen christlichen Fundamentalisten - zumindest für seine Kritiker aus dem Lager der Grünen und Sozialdemokraten, der fortschrittlichen Christen und der Freien Demokraten.

Johannes Dyba gilt als enger Vertrauter des Papstes und predigte vor seiner Bischofsweihe als päpstlicher Legat in Gambia wider die Empfängnisverhütung. Er stellte sich öffentlich hinter die Aktionen seiner „christlichen Hizbolla“ (Bernd Messinger/Grüne) mit dem Namen „Aktion Leben“, die vor Monatsfrist die abtreibungswillige Asylbewerberin bis in das Kreiskrankenhaus Schlüchtern (Bistum Fulda) hinein verfolgte, um die mehrfache Mutter noch am Tag des operativen Eingriffs vom Krankenbett zu zerren. „Um ihre Seele zu retten“, wie ein Mitglied freimütig erklärte.

In einer Presseerklärung bezeichnete der Erzbischof die Abtreibung als „Kinderholocaust“ und in einem Interview mit der 'Welt‘ äußerte sich der Oberhirte wie folgt: „Wir müssen uns also fragen, ob wir mit unserem staatlich finanzierten Tötungsgeschäft nicht sehr nahe an unsere eigene Vergangenheit herankommen und ob wir uns mit über Leben und Tod entscheidenden 'sozialen Indikationen‘ nicht ganz bedenklich den Selektionen - den Ausrottungen - einer vergangenen Epoche nähern.“

Kirchenwende im Visier

Seit seinem Amtsantritt predigt Dyba den Widerstand gegen die pluralistische Gesellschaft. Der Erzbischof fordert die „Glaubenserneuerung im Geiste von Bonifatius“, der von den ungläubigen Friesen erschlagen wurde und dessen Hinterkopf als Reliquie im Fuldaer Dom lagert. „Für Gut und Böse im sittlichen Bereich sind für Christen alleine die Gesetze Gottes maßgeblich, wie sie von der Kirche vorgelegt werden. Diese Gesetze müssen, wenn es nottut, gegen jeden Ansturm des Zeitgeistes verteidigt werden.“

Der „Zeitgeist“, das ist für Dyba der systematische „Abbau der moralischen Grundlagen unserer Gesellschaft“ durch die moderne Gesellschaft: „Wer hat denn den himmelweiten Unterschied zwischen Zucht und Sitte auf der einen und widernatürlicher Unzucht auf der anderen Seite gesetzgeberisch eingeebnet und damit nicht nur moralische Blindheit sondern auch die todbringende Seuche AIDS auf uns herabbeschworen? An diesem Traditionsbruch, an diesem in seinen Konsequenzen noch gar nicht abzusehenden moralischen Zusammenbruch sind unsere Politiker und Parlamente nicht unschuldig.“ (Predigt von Dyba am 11.11.87 in Hanau beim Requiem für den an der Startbahn erschossenen Polizisten Eichhöfer.)

Dyba bezeichnete die Landes-FDP als „Fliegendreck auf Fuldaer Porzellan“, nur weil die FDP-Abgeordnete Babel auf die Gesetzeslage (§218) bei Abtreibungen hingewiesen hatte. Die Grünen sind für ihn ohnehin nur eine „Ansammlung von Kommunisten“.

Entsprechend haben sich um Bischof Dyba all die kirchlichen und weltlichen „Geister“ geschart, die den mittelalterlichen Kampf der Kirche gegen den Staat neu aufflammen lassen wollen. Und Dyba ist ihr „Flammenschwert“. Diese konservative „Reformationsbewegung“ ist inzwischen zum Machtfaktor in der katholischen Kirche geworden.

Der 57jährige Potentat geht mit Verve auch gegen seine Kollegen vor, die in andern Bistümern eine liberalere Kirchenpolitik betreiben. Da wird der relativ fortschrittliche Referent für die Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, der Weihbischof Gutting aus Mainz, von Dyba schon einmal als „Büttenredner“ und „Schwätzer“ bezeichnet. Und Kirchenplakate des Limburger Bischofs Kamphausen, der sich vehement für Asylbewerber und andere Minderheiten einsetzt, werden auf Order Dybas hin aus dem Fuldaer Dom verbannt.

Archaische Personalpolitik

Erzbischof Dyba räumt in seinem Bistum gnadenlos auf. Wer sich seinen Auffassungen nicht fügt, wird von Dyba aus dem Amt gedrängt. Der Hünfelder Diözesan-Frauenseelsorger Dr. Franz Konradi legte nach zahlreichen Konflikten mit Dyba „freiwillig“ sein Amt nieder. Aus Angst vor dem Erzbischof führte Konradi eine in der Diezöse geplante Veranstaltung mit dem Titel „Was ist feministische Theologie“ nicht durch. Dyba hatte im Vorfeld dieser Veranstaltung deutlich zu verstehen gegeben, was er von „feministischer Theologie“ hält: Diese beinhalte die „Tendenz zur Gotteslästerung“ und sei „eine Verrücktheit“.

Nach Dyba ist es nämlich die vornehmste Aufgabe der Frauen, „der künftigen Generation das Leben zu schenken und in verantwortungsvollen Erziehung den Sinn des Daseins zu erschließen“. In einer Diskussionsveranstaltung der interdiözesanen Akademie „Rabanus Maurus“ erklärte Dyba vor Vertretern der hessischen Bistümer, daß die Gleichberechtigungsdiskussion ein „Import aus dem 19. Jahrhundert“ sei und dem eigentlichen Wesen der Kirche entgegenstehe.

Vehement geht Dyba in seiner Diözese auch gegen die sogenannten Pastoralreferenten vor, die als Laien den katholischen Gottesdienst mitgestalten. Dyba bezeichnete diese Pastoralreferenten als „Produkte einer Fehlentwicklung“, mit denen das Zölibat unterlaufen werde. Und so wie der Erzbischof gegen Frauen und Laien zu Felde zieht, geht er auch mit der Kirchenjugend um.

Zur Zeit läßt Dyba von seinem Sekretariat neue Satzungen für die kirchlichen Jugendorganisationen der Diezöse erarbeiten, mit denen vor allem die fortschrittliche „Katholische Junge Gemeinde“ (KJG) geknebelt werden soll. Im Juni '87 erregte sich Dyba über die Bundesleitung der KJG, die u.a. die Akzeptanz einer „von Tabus und verurteilenden Normen befreites Ausleben der Sexualität“ durch die Kirche forderten. Dyba bezeichnete dies als „ideologischen Simsalabim“.

Der „Rufer in der Wüste“

Der grüne Landtagsabgeordnete Fritz Hertle, der in Fulda den ideologischen Kampf gegen Dyba aufgenommen hat, wurde gewarnt, als er vor vier Jahren nach Fulda zog. In einer Stadt, in der Adolf Hitler noch immer Ehrenbürger ist und die seit Kriegsende von einer absoluten CDU-Mehrheit regiert wird (Alfred Dregger war hier lange Bürgermeister), ist alles auf das Dreigestirn Bischof - Landrat (CDU) Bürgermeister (CDU) eingeschworen. Daß bei den Kommunalwahlen '85 drei Grüne in das Stadtparlament rutschten (5,6 Prozent), wird von der CDU noch immer als Betriebsunfall angesehen.

Doch der Protest gegen die „Fuldaer Verältnisse“ ist sichtbar. So zierte den Dom tagelang ein Sinnspruch der wohl den Erzbischof an das Schicksal des verehrten Bonifazius erinnern sollte: „Kein Gott, kein Staat - Hauptsache Attentat.“ Und das böse Wort „Heuchler“ prangt auf der Mauer der Freitreppe zum Dom. Innerhalb der Kirchenorganisation gärt es unterschwellig, vor allem bei den Frauen, bei den Jugendlichen und bei den bislang engagierten Laien. Der Rücktritt des Frauenbeauftragten der Diezöse hat bistumsweit für Unmut gesorgt.

Hertle brachte die Verbalausfälle Dybas im hessischen Landtag zur Sprache und setzte sich vor Ort für die äthiopische Asylbewerberin ein. Doch damit hatte Hertle in ein Wespennest gestochen. Wochenlang war die erzkonservative 'Fuldaer Zeitung‘ voll mit Leserbriefen gegen Fritz Hertle und die Grünen, die die schöne Stadt Fulda hessenweit „in den Dreck ziehen“ würden. Ein katholischer Pfarrer aus Fulda verstieg sich gar zu der Feststellung, daß Hertles Mutter wohl vergessen habe, ihren Sohn abzutreiben. Im Briefkasten der Hertles lagen plötzlich Drohbriefe einer „Aktion für ein sauberes Deutschland“ gegen den Landtagsabgeordneten: „Wenn Du nicht sofort damit aufhörst, öffentlich gegen ungeborenes Leben zu polemisieren und zu hetzen, dann werden wir Dir zeigen, wer die wirkliche Macht in diesem Lande hat.“

Hoffen auf den heiligen Geist?

Doch beim Dyba-Kritiker Hertle kamen auch „Zeichen der Ermutigung“ (Hertle) an. So gaben drei Frauen anonym einen Blumenstrauß für den Grünen ab und forderten ihn zum „Durchhalten“ auf. Und Hertle wird weitermachen: Ein Bischof, der „Pax Christi„-Mitglieder als „Trittbrettfahrer der Kirche“ bezeichne, der in Hanau die Atombetriebe gesegnet habe und der „aus Sexualneid“ gegen die Öffnung der katholischen Kirche für Frauen und für Laien polemisiere, der sei „untragbar auch für engagierte Christen“.

Fritz Hertle macht sich keine Illusionen. Ein Bischof wird vom Papst ernannt und kann auch nur vom Papst wieder abberufen werden. Und da sich Dyba „auf der päpstlichen Linie“ bewege, sei eine Rücktrittsforderung unrealistisch. Hertle: Dyba will in zwanzig Jahren die katholische Kirche total umgekrempelt haben, im Sinne seiner erzkonservativen Vorstellungen. Da bleibt nur zu hoffen, „daß der innerkirchliche Widerstand vom 'heiligen Geist‘ beseelt ist“.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) hat eine Mitglieder-Zeitschrift. Sie hieß „Frau und Mutter“. Jetzt wurde der Titel geändert: „Frau + mutter“.

Das hat der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba kritisiert: „Das kleine „m“ ist nicht nur ein orthographischer Fehler, sondern eine bewußte Richtungsanzeige. In einer Zeit, da in unserem Volk jedes dritte Kind im Mutterschoß umgebracht wird“, müsse man sich dagegen wehren, „daß die Leistung der Mütter ... in jeder Hinsicht mißachtet wird“.