: Große Trauerreden in Ramstein
Ökumenischer Gottesdienst in Ramstein für die Opfer des Flugtages / rheinland-pfälzischer Ministerpräsident Vogel: Kein Flugtag mehr / Italiens Botschafter spricht von unvermeidlichen Risiken des modernen Lebens ■ Aus Ramstein Reinhard Mohr
Mehrere hundert Gäste aus dem In- und Ausland nahmen am vergangenen Samstag an der Trauerfeier für die Opfer des Flugtages von Ramstein vor einer Woche teil, bei dem bislang 51 Menschen ums Leben kamen und Hunderte von Zuschauern zum Teil schwerste Brandverletzungen davontrugen. In Anwesenheit von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, des italienischen Senatspräsidenten Spadolini, des US -Botschafters Burt, des italienischen und des deutschen Verteidigungsministers sowie der Ministerpräsidenten Vogel, Lafontaine, Rau und Wallmann wurde in der Ramsteiner Sankt -Nikolaus-Kirche ein ökumenischer Trauergottesdienst zelebriert, der per TV live in die bundesdeutschen Wohnzimmer flimmerte.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte in seiner Rede, es sei wahr, daß viele vor diesem Flugtag gewarnt und andere dazu aufgerufen hätten. Nun solle jeder über seine Motive und Schlußfolgerungen „neu nachdenken“: „Kunstflugvorführungen bei militärischen Veranstaltungen wird es in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr geben. In Ramstein kann es nach meiner festen Überzeugung keinen Flugtag wie diesen mehr geben.“ Ramstein dürfe nicht zum Synonym einer Katastrophe werden, sondern müsse weiterhin Symbol der Freundschaft zwischen Deutschen und Amerikanern bleiben. US-Botschafter Richard Burt beschwor die Zeiten der Berlin-Blockade von 1948, als die amerikanischen Jets noch als „Rosinenbomber“ begrüßt wurden. Auch heute fliege die US-Luftwaffe „für die Freiheit“. Er versprach, „alle Aspekte dieser Tragödie“ zu überprüfen und „aus den Ereignissen zu lernen und sicherzustellen, daß sich eine solche Tragödie niemals wiederholt“.
Der Botschafter Italiens, dessen Luftwaffe die todbringende Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“ nach Ramstein schickte, Raniero Vanni dArchirafi, wies „in diesem Augenblick großen Schmerzes“ auf die „leider unvermeidlichen Risiken“ des „modernen Lebens“ hin, die freilich „auf ein Minimum reduziert“ werden müßten. „Doch auch das kann nicht immer gelingen, auch weil die Schicksalshaftigkeit bisweilen die Rolle des Protagonisten übernimmt. Auch wenn alle Vorkehrungen getroffen sind, schlägt das Schicksal aus dem Hinterhalt zu und erschüttert die Bühne des Lebens.“
Zuvor hatten schon die geistlichen Würdenträger - zwischen Johann Sebastian Bachs „Air“ in D-Dur und Beethovens „Coriolan„-Ouverture - versucht, das „schreckliche Geschehen“ in Gottes und des christlichen Glaubens Hände zu legen. „Warum mußte das geschehen ?“ fragte Dekan Pflanz und wußte, „daß es darauf keine Antwort gibt“. Dafür warnte er vor Schuldzuweisungen und empfahl, „die Hand Gottes zu ergreifen“. Bischof Schlembach betonte in seiner Ansprache, „daß es auf der Erde keine gottfreie Zone gibt“, denn auch das „unbeschreibliche Sterben am vergangenen Sonntag darf im Horizont des auferstandenen Jesus von Nazareth gesehen werden“. Währenddessen warteten vor der Kirche etwa hundert Menschen auf das Ende der Veranstaltung - unter ihnen ein knappes Dutzend still Protestierende: „Nie wieder Flugtag Denkt endlich um!“ Die ortsansässigen Bürger seien schockiert, aber letztlich „fatalistisch eingestellt“, sagt eine ältere Dame. „Die Amis machen doch, was sie wollen“ sei die landläufige Einschätzung, und: „Wenn die Amerikaner weggehen, sind wir in der Pfalz wieder ein armes Land.“ Allein in Ramstein leben 1.500 US-Bürger. Zurückhaltung hat sich - bei aller „Betroffenheit“ - neben Bürgern und Politikern auch das ZDF auferlegt. Laut einer internen Anweisung sollen vor der Bestattung aller Toten keine bohrenden Fragen nach dem Hergang des Unglücks und der Rettungsmaßnahmen gestellt werden - ganz zu schweigen von politischer Verantwortung und den Konsequenzen.
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