HINTERM SCHLEIER

■ Viele gute Gründe, sich zu verhüllen - eine Ausstellung zum „Kopftuch“ im Kato

Was treibt die Frau hinterm Schleier? Das hat sich der „Ehrbare Rat“ der Stadt Nürnberg auch gefragt, als er sich Ende des 15. Jahrhunderts in einer Kleiderordnung, dann in einer Verordnung vom 17. 12. 1657 und nocheinmal am 23. 2. 1993 mit dem Corpus delicti befaßte. In der Geschichte des Nürnberger Regentuchs ging es vor allem um die Aufrechterhaltung von Sitte und Moral. Das Regentuch oder Schurtzhembd war zunächst eine einfache Leinen- oder Wolldecke. Je vornehmer die Trägerin, desto kostbarer das Material. Je kostbarer das Material, desto weniger konnte das Tuch aber als Regenschutz benutzt werden. Ganz recht mutmaßte nun der Rat der Stadt, daß die Frauen allerlei trieben, wenn sie sich mit dem Tuch bedeckten, und versuchten, dem Einhalt zu gebieten. Die erste Verordnung forderte die Frauen auf, die großen Kopftücher oder Tischtücher, in die sie sich hüllten, in der Absicht, sich unerkannt auf offener Straße bewegen zu können, abzulegen. Erfolglos: „Nachdem auch endlich wieder ehedessen ernstlich beschehenes Verbott/ dieser schändliche Mißbrauch nicht abgestellet/ sondern je länger je mehr beharret werden will/ daß nicht nur schlechte und gemeine Weibspersonen/ sondern sogar Ehrbare Frauen und Jungfrauen/ bey hellem Sonnenschein und wenn gar keine Anzeige einiges Regen- oder Schnee -Wetters vorhanden/ mit Regentüchern eingewickelt und verhüllet/ so wol auf die Gassen/ als an Sonn- und Feyer und Predigt-Tagen/ damit in die Kirche zu gehen/ darinnen bey haltung des Gottes-Dienstes also verdeckt zu sitzen/ wie nicht weniger auch in solche Unformb vor der Obrigkeit und dero öffentlichen Aembtern zu erscheinen/ mit maniglichs großem Aergernuß/ sonderbarem Verdruß und bösem Nachklang sich nicht entblößen.“ (1657) Jedenfalls drohte man jetzt gar mit Strafe bis zu zwei Gulden für das Tragen von Regentüchern bei gutem Wetter.

Über die besondere Art von Freiheit der Frauen von Lima schrieb Flora Tristan, die Großmutter Gauguins übrigens, 1833: „Der manto ist künstlerisch gefältelt, aber aus leichterem Stoff, und hält nicht so lange wie der Rock; auch die Fältelung bleibt bei der dauernden Bewegung und Feuchtigkeit des Atems nicht so lange frisch. Die Frauen der guten Gesellschaft tragen eine saya aus schwarzem Satin, besonders elegante Frauen auch in Phantasiefarben wie Violett, Kastanienbraun, Grün, Mittelblau, gestreift, doch niemals in einer helleren Farbe, weil diese von den Straßenmädchen bevorzugt werden. Der manto ist immer schwarz und verhüllt den gesamten Oberkörper; nur ein Auge schaut heraus. Man darf jedoch nicht vergessen, wie vorteilhaft ihre Tracht für die Limanerinnen ist und wie sehr sie ihnen dabei hilft, durch ihre Intelligenz die große Freiheit und den beherrschenden Einfluß zu erringen, die sie haben. Wenn sie jemanden treffen, mit dem sie plaudern möchten, sprechen sie mit ihm und verlassen ihn wieder und bleiben frei und unabhängig inmitten der Menschenmenge, viel mehr als die Männer, die ihr Gesicht nicht verdecken können.“

Was treiben die Frauen also hinterm Schleier? Sie wären schön blöd, es preiszugeben. Aber eine Fülle von Frauengeschichten, Kopftuch- und Schleiergeschichte vom Weißenburgenland in Franken bis zum hintersten Ende des osmanischen Reiches stehen in dem wunderbaren Katalogbuch „Das Kopftuch, Ein Stückchen Stoff in Geschichte und Gegenwart“ von Meral Akkent und Gaby Franger (deutsch -türkisch) im Dagyeli Verlag.

V.

Die Ausstellung dazu im Kato, U-Bhf.: Schlesisches Tor, Di -So 10-17, Di und Do bis 20 Uhr, bis 9. Oktober