Grüne debattieren über Lafontaine

Bundestags-Grüne diskutieren über wirtschaftspolitische Aussagen des SPD-Parteitages Lippelt: „Interessant“ / Bott: „Konservative Vorstellungen“ / Schmidt: „Zweites Godesberg“  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Unter den Bundestags-Grünen hat sich nach dem SPD-Parteitag eine Debatte entfacht. Kern der Diskussion sind die von Oskar Lafontaine proklamierten wirtschaftspolitischen Vorstellungen. Nach einer zweitägigen Klausur über die künftigen parlamentarischen Schwerpunkte sprachen zwar alle FraktionssprecherInnen gestern von „einer Phase der Konsolidierung“. Unterhalb der allseits beschworenen „Harmonie“ wurden jedoch deutliche Differenzierungen in der SPD-Einschätzung offesichtlich. Für den Grünen-Sprecher Helmut Lippelt wird die SPD „jetzt erst interessant für die inhaltliche Auseinandersetzung„; durch Lafontaines Angriff auf „den Betonflügel der Gewerkschaften“ werde die SPD beweglicher.

Regula Bott kann dieser Entwicklung hingegen keine positiven Aspekte abgewinnen: die SPD biedere sich „als verläßlicher Partner der Unternehmen“ an; die drohende Durchsetzung „konservativer Vorstellungen“ in der Partei sei „politisch deprimierend“. Christa Vennegerts, die als „kritische Reala“ gilt, schloß sich weitgehend einer Bewertung durch den ökosozialistischen Parteisprecher Christian Schmidt an, der vor einigen Tagen von einem „zweiten Godesberg“ in Münster gesprochen hatte.

Nach Berichten von Teilnehmern der Klausur haben sich die unterschiedlichen Bewertungen der Lafontaine-Politik auch auf die Vergabe der „großen Haushaltsrede“ am morgigen Mittwoch im Bundestag ausgewirkt: Die Rede wurde Christa Vennegerts zugeteilt, ihr Konkurrent Hubert Kleinert bekam bei der Abstimmung eine deutliche Abfuhr. Kleinert sagte dazu gestern, Lafontaine sei „in manchen Fragen näher an dem, was sich in der Gesellschaft entwickelt, als altsozialistisch gestrickte Grüne, die mit Steinkühler und Rappe am Überlebten festhalten“. Lafontaine werfe die richtigen Fragen auf; die Grünen müßten diese Auseinandersetzung nicht defensiv wie die Gewerkschaften, sondern offensiv führen.