Breschnew-Klüngel vor Moskauer Gericht

■ Korruptionsprozeß gegen Breschnewschwiegersohn und usbekische Politiker eröffnet Über zwei Millionen Mark Bestechungsgelder / Selbstmorde bei Vorermittlungen

Berlin (afp/taz) - Hocherhobenen Hauptes betrat der Angeklagte den Gerichtssaal: Der 51jährige ehemalige stellvertretende Innenminister Juri Tschurbanow, der Schwiegersohn des ehemaligen Parteichefs Leonid Breschnew, ist die Hauptperson in einem der größten Korruptionsskadale der sowjetischen Geschichte. Über 650.000 Rubel (2 Millionen Mark) Bestechungsgelder soll der ehemalige Vizeminister von korrupten Funktionären angenommen haben. Bei dieser Anklage ist es keineswegs sicher, ob der Angeklagte auch am Ende des auf drei Monate angesetzten Verfahrens noch so selbstbewußt auftreten wird. Ihm droht die Todesstrafe.

Tschurbanows Hauptaufgabe bestand darin, seine „Klienten“ vor Strafverfolgung zu schützen. Und die kamen vor allem aus der korruptionsgeschüttelten Sowjetrepublik Usbekistan. Mitangeklagt sind Usbekistans Innenminister Jachjajew, zwei seiner Stellvertreter und fünf lokale Parteichefs der asiatischen Republik. Mitangeklagt ist aber auch Tschurbanows toter Schwiegervater und dessen politisches System: Die Verdorbenheit der Breschnew-Ära kann nun dem sowjetischen Publikum vor Augen geführt werden.

Zwei Jahre nach dem Tod Breschnews 1982 war Tschurbanow seiner Ämter enthoben worden. Fünfjährige akribische Ermittlungen, in deren Rahmen zwei Verdächtige Selbstmord begingen, zwei weitere zum Tode verurteilt wurden, 100 hohe usbekische Funktionäre vor Gericht standen und Tausende von Mitgliedern aus der Partei ausgeschlossen wurden, sind dem Verfahren vorausgegangen. In den 110 Aktenordnern wird das ganze Ausmaß des usbekischen „Baumwollskandals“ deutlich. Usbekische Funktionäre hatten jahrelang die Rechenschaftsberichte über die Baumwollernte geschönt und Millionen von Rubel verschoben. Gleich zu Prozeßbeginn sorgte der Anwalt Tschurbanows mit einem zehnminütigen Auftritt für Aufsehen: Der Presse und den Medien warf er vor, mit der Vorabveröffentlichung der Anklage dem Angeklagten geschadet zu haben, und verwahrte sich dagegen, Tschurbanow für Breschnews Politik verantwortlich zu machen.

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