Personenkult?-betr.: "LeserInnenbrief", taz vom 30.8.88

Betr.: „LeserInnenbrief,

taz vom 30.8

„Autonome aus dem süddeutschen Raum/Frauenplenum der Münchner Autonomen“ kritisieren in einem LeserInnenbrief vom 30.8 den „Personenkult“, den die taz um Ingrid Strobl und Ulla Penselin veranstaltet. Als Hintergrund dafür sehen sie eine angeblich angestrebte Kandidatur beider auf der „grünen Liste“ zur Europawahl, wodurch die Grünen „relevante soziale Bewegungen (...) für ihre durchschaubaren Zwecke instrumentalisieren“ würden. Hierzu einige Anmerkungen:

Die gute Öffentlichkeitsarbeit zu Ulla und Ingrid (nicht nur in der taz, sondern) in und um vielen Publikationen, Veranstaltungen, Demos etc. stellt ein positives Beispiel effektiver Solidaritätsarbeit dar und sollte dazu anspornen, die Situation der anderen politischen Gefangenen verstärkt öffentlich zu machen. Diese als Personenkult zu diffamieren, ist zynisch.

Es wird von den AutorInnen das Gerücht mit der Kandidatur kolportiert, ohne jeglichen Beleg dafür anzugeben, sodaß ich dieses erstmal stark anzweifle. Bei Kenntnis der politischen Inhalte, die beide Frauen vertreten (siehe „Brief von Ingrid“, März 88) zu behaupten, sie wollten den Widerstand gegen Gentechnologie für grüne Wahlkampfzwecke instrumentalisieren, ist absurd.

Daneben wäre es äußerst schlecht um eine soziale Bewegung bestellt, bedürfte diese platter Verschwörungstheorien, um nicht in Staatsfrömmigkeit zu versacken.

Davon unabhängig wäre das einzig Sinnvolle, wozu die Grünen mittlerweile zu gebrauchen bzw. zu instrumentalisieren sind, durch Kandidaturen Leute aus dem Kanst zu holen (z.B. Toni Negri). Doch dies trauen sich die Grünen vermutlich ohnehin nicht, verlören sie doch dabei an Reputierlichkeit und WählerInnenstimmen.

Peter, Nürnberg

Liebe autonome Frauen aus München, daß ihr aber auch mein Geheimnis verraten mußtet ... Da habe ich über Jahre mühsam mein grünes Herz versteckt und mir eine Tarnung als radikale, autonome Feministin zugelegt, zielstrebig auf meine Verhaftung hingearbeitet, acht Monate Knast abgesessen, um nun endlich frisch und grün ins Europaparlament einzuziehen - immer die winkende Rente vor Augen ... Trotzdem mit solidarischen Grüßen,

Ulla Penselin