Sjöbo gegen den Rest der Welt

■ Südschwedische Gemeinde will keine Flüchtlinge aufnehmen / Volksabstimmung am Wahltag

Am 18.September können die 15.000 Einwohner des südschwedischen Städtchens Sjöbo, ihr lang gewünschtes Plebiszit über die Frage abhalten, ob sie Asylsuchende aufnehmen sollen oder nicht. Daß so etwas in Schweden geht, weiß Bürgermeister Börje Olsson ganz genau: „Nach schwedischem Gesetz können wir in kommunalen Belangen eine Volksbefragung ab halten.“ Daß die Sjöboer aber diesen bürgerfreundlichen Paragraphen für ihre rassistischen Einstellungen in Anspruch nehmen, sei, so ein sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, „eine Schande für Schweden“.

Der Skandal nahm seinen Anfang vor vier Jahren, als die staatliche Einwanderungsbehörde den Stadtrat von Sjöbo bat, in den folgenden drei Jahren 30 anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen. Dreimal lautete das Abstimmungsergebnis im Stadtrat 25 zu 24 Stimmen dagegen. Die vorgeschobenen Argumente der Gegner sind wohlbekannt: keine Wohnungen, keine Arbeit und allgemein nicht „darauf eingestellt“. Erfolglos wurden die 25 Abgeordneten der Zentrumspartei und der Konservativen vor jeder Abstimmung von ihren Parteiführungen in Stockholm zur Umkehr ermahnt. Die rückten - mit steigendem in- und ausländischem Medieninteresse - nur noch enger zusammen.

Sjöbo ist seitdem tief gespalten. Die Kirchenbänke bleiben sonntags leer, weil die Pfarrer von der Kanzel gegen den Ratsbeschluß gepredigt hatten. Der örtliche Rote-Kreuz -Verband hat sich vorläufig aufgelöst, nachdem ein Teil der Mitglieder verkündet hatte: „Wir wollen diese Typen hier nicht haben.“ Die Auseinandersetzungen um die 30 Menschen reichen bis auf die Schulhöfe, wo sich Anhänger unmd Gegner der Abstimmung in der Pause prügeln. Eine Gräfin hat zur Schlichtung des StTreits ihren Gutshof als Asylunterkunft angeboten, wofür sie von Bürgermeiser Olsson voller Hohn öffentlich verdächtigt worden ist, ihren veralteten Besitz auf Staatskosten renovieren lassen zu wollen.

Alle Umfragen sagen voraus, daß am 18.September in Sjöbo, das in den dreißiger Jahren eine Hochburg der schwedischen Nazi-Partei war, für Flüchtlinge die Daumen nach unter zeigen werden. Landwirt Osson: „Ich habe bisher 2.000 Briefe bekommen, dazu Telegramme und Blumen. 95 Prozent der Botschaften waren zustimmend.“ So könnte sich der Tag der Reichstagswahl - unabhängig von deren Ausgang - für Schweden als Beginn einer „Welle des Fremdenhasses“ erweisen, wie Anders Westerberg, Bürochef der Einwanderungsbehörde, fürchtet. Denn es rumort nicht nur in Sjöbo gegen die Asylpolitik der sozialdemokratischen Regierung. Sechs andere Komunen haben ihre Entscheidung über die Aufnahme von Asylanten bis zur Abstimmung in Sjöbo ausgesetzt. Durch einen Davidserfolg in Sjöbo werden sie sich ermutigt fühlen, ebenfalls auf diese bequeme Weise ihren Protest kundzutun. Während dessen warten noch rund 7.000 Menschen in Notquartieren auf eine Wohnung.

Gunnar Köhne