Stoltenbergs Haushaltsfeierstunde

■ Bundestagsdebatte zur Haushaltspolitik gestern eröffnet / Stoltenberg preist Wirtschaftswachstum / Kein Wort zur Arbeitslosigkeit / Apel-Ersatzmann ohne Charisma / Grüne: Keine Antwort auf ökologische Krise

Berlin (taz) - Nimmt man den ersten Tag der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Maßstab der Beurteilung der konservativen Koalition, dann sitzt die Regierung so fest im Sattel wie lange nicht mehr. Bundesfinanzminister Stoltenberg eröffnete die viertägigen Beratungen mit der selbstzufriedenen Feststellung der „Berechenbarkeit der Finanzpolitik“ und unterstrich den Beitrag der Bundesregierung zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung. Seit Jahresbeginn habe sich der nach dem Börsenkrach im Oktober 1987 zunächst verhangene wirtschaftliche Horizont aufgehellt. Mit einem jetzt möglichen Wirtschaftswachtum von fast vier Prozent gehe die Bundesrepublik mit „gestärkter Dynamik“ in das Jahr 1989. Ohne auch nur mit einem Wort auf die 2,2 Millionen Arbeitslosen in seiner einstündigen Rede einzugehen, geschweige denn finanzpolitische Vorschläge gegen die dauerhafte Massenarbeitslosigkeit zu unterbreiten, jonglierte er einfallslos mit den Milliardenbeträgen des Bundesetats herum. Er setze auch „unter veränderten Bedingungen“ den „Kurs sparsamer, verantwortungsvoller Verwendung öffentlicher Mittel fort“. Wesentlich sei, daß die durch Sonderfaktoren vorübergehend erhöhte Neuverschuldung wieder zurückgeführt werde. Sie solle von knapp 40 Mrd. DM in diesem Jahr auf weniger als 32 Mrd. DM 1989 sinken. Letztlich schrieb Stoltenberg mit seiner Haushalts-Rethorik den Status quo in der finanzpolitischen Diskussion ohne nennenswerten Widerstand fort. Zwar beklagte die Opposition ihrerseits, daß der Aufschwung „an Millionen vorbeiginge“ (Herbert Wieczorek, SPD), der Haushaltsentwurf darüber hinaus „keine Antwort auf die dringendsten gesellschaftlichen Probleme der ökologischen Krise“ (Kleinert, Grüne) gebe. Außer fast gleichlautenden Stichworten von den Sprechern der Grünen und der SPD: „Steuersystem umbauen, damit es den ökologischen Erfordernissen gerecht wird“, oder dem Beklagen der Massenarbeitslosigkeit, bewegte sich die Debatte in eingefahrenen Bahnen, beschränkte sich die Kritik letztlich auf jeweils unterschiedliche Verteilungswünsche.

Ob in der Folge des Abgangs des am Montag zurückgetretenen bisherigen finanzpolitischen Sprechers der SPD, Hans Apel, noch ein Kurswechsel bei den Sozialdemokraten in der Haushaltspolitik bevorsteht, war am Dienstag nicht auszumachen. Zunächst einmal betonte sein Ersatzmann, Helmut Wieczorek, daß ein finanzpolitischer Kurswechsel mit Apels Rücktritt nicht verbunden sei. Aber eine Entscheidung über die Nachfolge Apels ist in der SPD-Fraktion noch nicht getroffen worden. Neben H.Wieczorek bewerben sich auch dessen Namensvetter, der einstige Stamokap-SPDler Norbert Wieczorek und die Vorsitzende des Atomuntersuchungsausschusses Matthäus-Maier um den Posten. Am heutigen Mittwoch wird die Debatte mit der sogenannten „Elefantenrunde“ fortgesetzt. Dabei wird sich zeigen, ob die SPD den auf dem Parteitag in Münster verspürten Rückenwind der Partei und den unbedingten Willen zur Macht in Bonn auch nur annähernd wird deutlich machen können.

mtm