Die Schamfrist ist vorbei

■ Die Kulturtagung des „Landesmusikrat Bremen e.V.“ soll dazu dienen, Politiker-Kultur-Kniefälle beim Wort zu nehmen: Vor einem Jahr ein Wahlkampfthema, danach nicht einmal mehr ein Thema

Unter dem Titel „Kultur - Grundrecht für eine menschliche Gesellschaft - Subvention oder Finanzierung“ lädt der Landesmusikrat Bremen e.V. zu einer „Bremer Kulturtagung“ ein, die heute und morgen im Haus der Bürgerschaft stattfindet.

Auf dieser Tagung sollen die politischen Parteien Bremens beim Wort genommen werden, die allesamt vor etwa einem Jahr, also kurz vor den Bürgerschaftswahlen, den Stellenwert der Kultur als „Standortfaktor“ oder „Lebenshilfe“ entdeckt, über die Notwendigkeit der Finanzierung von Kultur gesprochen hatten und sich seither zu diesem Thema in Schweigen hüllen.

Prof. Klaus Bernbacher, Vorsitzender des Landesmusikrats Bremen, ist der Meinung: „Jetzt sind wir dran. Ein Jahr ist vergangen, die Schamfrist ist vorbei. Der Dialog muß weitergeführt werden, und dazu haben wir diese Tagung organisiert.“

„Kultur“, sagt Bernbacher, „muß Geld kosten. Mit dem billigen Jakob ist sie nicht zu haben. Deshalb muß auch überlegt werden, ob man überhaupt noch von 'Subventionierung‘ der Kultur sprechen sollte und nicht viel eher von 'Investitionen‘ in Kultur.“ Auf staatliche Kulturderung

könne man freilich in Bremen, wo „Schmalhans Küchenmeister“ sei, nicht hoffen. „Und nun wollen wir mal sehen, ob man nicht Wege gehen kann zusammen mit der Wirtschaft als verläßlichem Partner.“

All das soll also auf der Tagung Thema sein, und dazu sind acht Podiumsgespräche vorgesehen. Zum Thema „Das professionelle Musikleben“ referieren der Musikwissenschaftler und Journalist Dr. Hartmut Lück und Landesmusikdirektor Prof. Erich Ehlers. Es soll, wie Bernbacher sagt, unter anderem um die Frage

gehen, warum Bremen als Konzert- und Unterrichtsort so unattraktiv für international bekannte Musikgrößen ist.

„Solche Abstauberveranstaltungen wie die neulich auf dem Marktplatz mit Justus Frantz und Yehudi Menuhin sind dafür nach unserer Meinung kein Ersatz.“

Prof. Eberhard Kulenkampff von der GEWOBA und Horst Grützner von der Kulturetage Bremerhaven referieren zum Thema „Raumprobleme des Musiklebens“, denn es mangele überall an Übungs- und Konzerträumen. „Das neue Kongreßzen

trum, das jetzt gebaut werden soll, hat etwa die Raumkapazität der 'Glocke'“, klagt Bernbacher. Zu diesen Raumdefiziten komme noch das miserabel ausgebaute Nahverkehrsnetz, was ganze Stadtteile vom kulturellen Leben abschneide. An einer Verbesserung dieser Situation müsse die Wirtschaft doch Interesse haben, denn wer abends im Konzert oder Theater war und weiß, daß er auch spät nachts noch nach Bremen Nord ohne teures Taxi zurückkommt, „der trinkt noch einen Wein.“

Also: Kultur als Standortfaktor für die Wirtschaft - auch in Gestalt der Gastwirtschaft. „Musik und Wirtschaft“ heißt das dritte Podiumsgespräch, bei dem Fragen dieser Art von Friedrich Rebers, Vorstand der Sparkasse Bremen, und Christian Schuldt, Direktor in der Bremer Bank, behandelt werden.

Am Freitag:

„Musikausbildung an Hochschule und Universität“. Referenten: Prof. Hans-Joachim Kauffmann von der HKM und Prof. Günter Kleinen von der Uni Bremen. Auch hier natürlich: Ist überhaupt Geld da, um den neuen Prestige -Status der Musikhochschule als „künstlerische Hochschule“ auch zu finanzieren, da

mit die Statusänderung nicht bloß billiges Wortgeklingel bleibt? Dazu gehört zum Beispiel der nötige Ausbau des „Alten Gymnasiums“, in dessen Räume die „künstlerische Hochschule“ einziehen soll.

„Außerschulische Musikerziehung“, „Das Laienmusizieren“ und „Musik in allgemeinbildenden Schulen“ werden auch Podiumsthemen sein, und „Medien und Musikleben“ wird unter anderem die Rolle Radio Bremens für das Musikleben in der Stadt zum Thema haben.

„700.000 Mark pro Jahr gibt der Sender aus für öffentliche Konzerte im Jazz&Pop-Bereich und im Bereich E-Musik, und zwar als Eigenveranstalter, als Partner und indem wir Mitschnitte machen.“

Jedenfalls sollen auf der Tagung „konstruktive Vorschläge“ gemacht werden, sagt Bernbacher. Denn „die öffentliche Hand ist am Ende.“ Man müsse allerdings auch mit Vertretern der Wirtschaft klären, wie Kultur gefördert werden könne, also nicht etwa nur „nach Gusto“, sondern etwa mit Stiftungsmodellen. „Und dann muß man natürlich fragen: Will die Wirtschaft, wenn sie mitfinanziert, auch Einfluß nehmen?“

Sybille Simon-Zülch