Wie schön, eine Frau zu sein

■ Der Krach um das Hamburger 'Festival der Frauen‘

Petra Oelker

In Hamburg, der Freien und Hansestadt, gibt es ein Festival der Frauen. Zum zweiten Mal nun schon - das erste fand 1986 statt -, und die Medien nennen es schon 'Frauen-Biennale‘. Ein Motto gibt es auch: „Für Gleichberechtigung, gegen Hunger und Armut, für Frieden“. Wogegen nichts einzuwenden ist. Du und ich, wir alle sind dabei, und im Grundgesetz steht so etwas auch, von den Verlautbarungen der Vereinten Nationen ganz zu schweigen. Trotzdem, was beim ersten Mal noch Banner war, findet sich jetzt nur noch versteckt im Programmbuch.

Große Künstlerinnen treten seit August und noch den ganzen September über in Hamburg auf. Allen voran Jeanne Moreau und die Opern-Diva Wilhelmina Fernandez. Mit dabei sind die Frauen der südafrikanischen Market Theatre Company, der einzige Frauenzirkus der Welt La Compagnie de Barbarie, die Jazzsaxophonistin Barbara Thompson, die besten Soul -Sängerinnen aus Chicago, und Barbara Sukowa präsentiert Schönbergs Pierrot Lunaire. Die Clownin Gardi Hutter kommt aus der Schweiz zu Besuch, Schriftstellerinnen aus Skandinavien, der DDR und der Sowjetunion lesen aus ihren Werken. Am Kinderwochenende gibt's Musik, Theater und Lesungen, die Creme der Hamburger Schauspielerinnen zeigt vor allem singend - ihre Kunst, und Special Guest beim 'Schwarzen Freitag‘ ist Patricia Highsmith. Dazu gibt es ein Workshop- und Filmprogramm, und das ist natürlich noch längst nicht alles.

Ein Festival, das die Kunst der Frauen zeigt, ihre Stärke, ihren Mut, ihre Schönheit und Kraft, ist mir ein großes Vergnügen. Und dennoch ist es ein Ärgernis.

Ein Ärgernis, weil der Titel einen emanzipatorischen Anspruch vor sich herträgt, den das Festival doch gar nicht erfüllen will. Und nicht zuletzt, weil es der großen Stadt an der Elbe zu einem frauenfreundlichen und politisch engagierten Image verhilft, das ihr nicht zusteht.

Als das Festival vor zwei Jahren seine Premiere hatte, ging es mit satten 500.000 Mark aus dem Stadtsäckel an den Start. Gewidmet war das Ganze Winnnie Mandela, und Bischof Tutu bekam eine Spende. Mercedes Sosa und Maria Farantouri sangen von Freiheit, und die Frauen, die in Hamburg ohne Kaltes Bufett und Senatsempfänge ihren mühsamen Alltagskampf gegen Gewalt und Benachteiligung kämpfen, mußten draußen bleiben.

Denn dies, so wurde Festivalinitiatorin und -leiterin Irmgard Schleier nicht müde zu versichern, sei ein Fest großer Künstlerinnen. Die hätten es auch schwer gehabt zu werden, was sie nun seien. Und die anderen - im großen Wurf als „autonome Frauen“ zusammengefaßt, die hätten ja „ihr eigenes Festival“. Nämlich die 'Hamburger Frauenwoche‘, die alljährlich im Frühjahr unter zahllosen ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden mit mickerigen 50.000 Mark städtischem Zuschuß eine Bildungs- und Kulturwoche für den Rest der Frauenwelt auf die Beine stellt. Und überhaupt, so Frau Schleier, die diesjährige Erhöhung auf 85.000 hätten sie auch nur dem anderen, ihrem Frauenfestival zu verdanken.

Was hier als 'Festival der Frauen‘ verkauft wird, ist nichts anderes als eine mit dicker Seidenschnur zum Bündel gefaßte Reihe von Veranstaltungen mit berühmten Künstlerinnen. Veranstaltungen, die es auch sonst gibt. Tolle Veranstaltungen, ohne Zweifel - aber mit politischem Anspruch, und mit der Sache der Frauen hat das nichts zu tun. Die wird hier nur benutzt, um im Trend der Zeit ein großes Spektakel mit pathetischem Zuckerguß zu garnieren. Denn starke Frauen sind en vogue, solange sie die Männer nicht zu sehr kritisieren und/oder ihren politischen Kampf in möglichst fernen Ländern führen. Wenn die Sängerinnen aus der algerischen Kabylei in zwei Sätzen auf der Bühne kundtun dürfen, daß ihnen in ihrer Heimat öffentliche Auftritt verboten sind, weil sie Frauen sind, da merken wir natürlich sofort, daß es uns gold geht. Aber wie glaubwürdig ist die Solidarität, wenn wenige Minuten, bevor der Canto General beginnt, die Sache der Freiheit nicht auf die Bretter darf? Wenn der Sprecherin eines Verbundes Hamburger Frauengruppen hinter der Bühne das Mikrophon verweigert wird, als sie darum bittet, eine Solidaritätsadresse für die seit acht Monaten in Untersuchungshaft einsitzende linke Feministin und Journalistin Ingrid Strobl verlesen zu dürfen? Wenn sie die ZuhörerInnen darauf aufmerksam machen will, daß politische Verfolgung auch in unserem Land möglich ist? Wenn ihr von Irmgard Schleier entschieden mitgeteilt wird, daß politische Themen ohne Ausnahme nicht an dieses Mikrophon dürfen?

Diskutiert wird auf diesem Festival nicht. Wie würde das auch aussehen, auf einer Veranstaltung, die das Image der Stadt polieren soll, damit wieder mehr Industrielle Lust bekommen, hier zu investieren, trotz sterbenden Hafens. Nein, hier treten schöne bedeutende Frauen auf, und wir alle können sehen und hören , wie schön es ist, eine Frau zu sein, wie schön es ist, Erfolg zu haben. Und uns dabei ganz wunderbar solidarisch fühlen mit den Schwestern im weit entfernten Elend anderer Welten.

Man mag von diesem Festival denken, was man mag, man oder frau mag darüber streiten, ob es legitim ist, für inzwischen eine knappe Million solch ein Unternehmen zu veranstalten, wenn für den Rest der Frauen in dieser Stadt nur ein Etat von 200.000 Mark zur Verfügung steht. Aber eines scheint inzwischen unbestreitbar. Irmgard Schleier, die mit dem Charme eines Generals und dem etwas zu beharrlich dementierten Traum vom Stuhl der Kultursenatorin ihr unbestreitbares Organisationstalent von den Künstlern für den Frieden (out) ab- und dem Festival der Frauen (in) zugewandt hat, ist bei aller Verschwisterung mit den Ersten Frauen der Stadt durchaus ein Risikofaktor für die Akzeptanz dieses Standort-Unternehmens. Nicht nur, daß sie politische Inhalte und weniger arrivierte Frauen und Veranstaltungen gar zu auffällig aus „ihrem Programm“ verbannt - sie diffamiert Andersdenkende, und auch das wenig diskret. Wer Kritik übt, dem wird deutlich Bescheid gegeben, WER es besser machen können, möge dies doch tun. Aber dazu sei ganz offensichtlich in dieser Stadt niemand in der Lage. Dabei sind nicht unbedingt alle der sich an der Basis abrackernden Schwestern dusselige Nörglerinnen.

Das nächste Frauenfestival sollte zumindest auf den irreführenden Titel verzichten. Dann ist Kultur wieder Kultur und Politik Politik und die Welt wieder in Ordnung.