Keine Frau für die Opferrolle

■ Margret Hauch arbeitet als Sexualberaterin in Hamburg, unter anderem als Therapeutin von Vergewaltigern. Sie ist eine der Initiatorinnen der Frauenliste der GAL. Nächstes Jahr wird sie als „Freche Frau“ in die Hamburger Bürgerschaft rotieren

Margret Hauch ist eine von den „Frechen Frauen“, die in der Hamburger GAL das Projekt Frauenliste möglich gemacht haben. Das Etikett „Feministin“ dürfte also passen. Aber Margret Hauch arbeitet auch seit über zehn Jahren in der Sexualforschung und -beratung, unter anderem als Therapeutin von Vergewaltigern. Ist für sie ein Engagement in diesen beiden Bereichen vereinbar?

„Warum eigentlich nicht?“, fragt Margret Hauch, „ich habe durch die Auseinandersetzung in diesen beiden Zusammenhängen wichtige Anregungen bekommen.“ Aber sie weiß natürlich vom tiefen Mißtrauen und vom oft unausgesprochenen Vorwurf der Kollaboration mit dem Feind - auch wenn sie als Referentin immer wieder gerne geladen wird, wenn frau im Rahmen der Diskussion über sexuelle Gewalt auch mal etwas über die Täter hören möchte. Am ehesten wird ihr, so hat sie einmal beschrieben, „der faux-pas, so eine Arbeit zu machen, verziehen, wenn ich mich als Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse darstelle, etwa auf die existenzielle Notwendigkeit des Arbeitsplatzerhaltes hinweise und so die Verantwortung von mir schieben kann“.

Die Opferrolle aber steht Margret Hauch nicht. „Frauen und Macht“, das ist ihr Thema, beruflich wie politisch. Beruflich bedeutet es, die Rolle als bezahlte Therapeutin und Wissenschaftlerin bewußt wahrzunehmen, um zum Beispiel Sexualstraftätern eben nicht privat und schutzlos als Frau, als alles verstehende Mutti etwa, entgegenzutreten. Das unter anderem unterscheidet ihre Arbeit auch vom „Hamelner Modell“, in dem Frauen als ehrenamtliche Helferinnen unter der Anleitung bezahlter, männlicher Psychologen versuchen, jugendlichen Sexualstraftätern ein anderes Frauenbild beizubiegen.

Politisch steckt dieser Anspruch auf die Macht in der Idee der Frauenliste. Im nächsten Jahr wird sie zusammen mit sieben anderen Nachrückerinnen im Rahmen der Rotation die erste Frauenfraktion der GAL ablösen.

Die 38jährige Diplom-Psychologin arbeitet in der Hamburger Sexualberatungsstelle, einer Einrichtung der Abteilung für Sexualforschung der Universitätsklinik Eppendorf. Dort können sich Frauen und Männer mit sexuellen Problemen beraten lassen; es werden Forschungsprojekte und Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen aus Hamburg und dem ganzen Bundesgebiet angeboten. Außerdem gibt es in der Sexualberatungsstelle ein Therapieangebot für Sexualstraftäter, die aus der Haft entlassen werden und auf dem „freien Markt“ große Schwierigkeiten haben, Psychotherapeuten zu finden.

Margret Hauch hat über die Arbeit eine Reihe von Aufsätzen in Fachzeitschriften publiziert; außerdem hat sie zwei Beiträge für die Reader des Komitees für Grundrechte und Demokratie im Rahmen der Kampagne gegen sexuelle Gewalt geschrieben (der zweite Reader ist noch in Vorbereitung). Ein frauenspezifischer Diskussionszusammenhang über Männer als Täter, aber auch als geliebte Söhne, Freunde und Partner fehlt bislang weitgehend. Margret Hauch sprach über dieses Thema mit der taz.

Irene Stratenwerth