Wiesbaden stellt Scholz ein Ultimatum

In Erbenheim hat die Stationierung von US-Kampfhelikoptern begonnen / Ultimatum an Verteidigungsminister: Stationierungsstopp oder Strafanzeige  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Auf dem US-Army-Fliegerhorst Wiesbaden-Erbenheim hat die umstrittene Stationierung von US-Kampfhubschraubern begonnen. Wie Wiesbadens Oberbürgermeister Achim Exner (SPD) mitteilte, habe ihm der zuständige Standortkommandant, General Arwood, berichtet, daß zwei Hubschrauber am Freitag eingetroffen sind. Bei ihnen handelt es sich um mit Laserkanonen ausgerüstete Fluggeräte des Typs „Apache“. Insgesamt 60 Soldaten, darunter elf Piloten, sollen ebenfalls in Wiesbaden eingetroffen sein. Weitere 32 Hubschrauber samt 200 GIs sollen noch im September folgen.

Unterdessen hat Wiesbadens OB Exner Bundesverteidigungsminister Scholz (CDU) ein Ultimatum bis heute zehn Uhr gestellt. Falls bis dahin die Stationierung nicht unterbrochen werde, müsse er „Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Bonn einreichen“. Der Verteidigungsminister sei „offensichtlich nicht bereit, die Entscheidungen deutscher Gerichte anzuerkennen“. In zwei Urteilen hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Stationierung mit Hinweis auf das Luftverkehrsgesetz wegen eines nicht durchgeführten Genehmigungsverfahrens untersagt. Exner fordert jetzt Bundeskanzler Kohl auf, „dem Verteidigungsminister das Handwerk zu legen, um Schaden nicht nur von Wiesbaden-Erbenheim, sondern von der ganzen Bundesrepublik abzuwenden“.

Gleichwohl will sich die hessische Landesregierung in den aktuellen Stationierungsstreit nicht einmischen: „Wir vertrauen auf ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren“, so der Sprecher der Staatskanzlei, Martin. Sozialdemokrat Exner richtete gestern auch einen Appell an den US -amerikanischen Botschafter Richard Burt: „Formal ist zwar Rupert Scholz zuständig, die Frage im politischen Raum ist jedoch, wie weit halten sich Amerikaner an deutsches Gesetz?“

Inzwischen verdichten sich die Informationen über die Räumung des „Gateway to Europe“, der US-amerikanischen Rhein -Main-Air-Base. Wie berichtet, möchte die hessische Landesregierung das Air-Base-Gelände in Frankfurt zum Ausbau des Zivilflughafens Rhein-Main nutzen. Statt dessen sollen die Fliegerhorste Ramstein, Erbenheim und Fulda-Sickels ausgebaut werden. Insgesamt 25 Millionen Mark wollen die Streitkräfte allein in Ramstein für Baumaßnahmen investieren, so die Sprecherin der rheinland-pfälzischen Landtagsgruppe der Grünen, Ilga Kahl. Entsprechende Mittel seien im Haushaltsplan 1989 bereits ausgewiesen. Das US -Verteidigungsministerium wolle in Ramstein „ein Munitionskontrollzentrum, Lagerhallen für Kriegsreparaturgerät und eine resistente Stromversorgung für ein Satelliten-Kommunikationssystem“ errichten.

Ein weiterer Bestandteil des wahrscheinlichen Air-Base -Handels zwischen hessischer Landesregierung und US-Militärs ist nach Informationen der taz das „Airfield Fulda-Sickels“. Der im Westen von Fulda gelegene ehemalige Wehrmachtsflugplatz Fortsetzung Seite 2

Gastkommentar von Wiesbadens OB Exner Seite 4

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wird seit Ende des Zweiten Weltkriegs von den Amerikanern genutzt. Seit Anfang der 80er Jahre wird Sickels systematisch ausgebaut: Heute sind dort 90 bis 100 Helikopter des in Vietnam eingesetzten Typs „Cobra“ untergebracht. In einer weiteren Ausbauphase wurden eine 700 Meter lange „Start- und Landebahn Ost“ und eine Flugsicherungsanlage errichtet, nach Angaben der Fuldaer Grünen für das Überwachungssystem AWACS. Auf Anfrage der taz wollten US-amerikanische Stellen diese Informationen weder bestätigen noch dementieren. Innerhalb des „Airland-Battle„ -Konzepts der Nato wurden bei Manövern bereits Kampfhelikopter und zur Panzerabwehr ebenfalls bestimmte Flugzeuge des Typs 10A2 „Thunderbold“ von Erbenheim nach Sickels verlegt. „Falls Erbenheim nicht durchsetzbar ist, kommen die Hubschrauber hierher“, meint der Fuldaer Grüne Peter Krahlec.

Hessens Regierungssprecher Martin kündigte inzwischen an, die CDU/FDP-Landesregierung werde „voraussichtlich spätestens Anfang nächster Woche“ den von ihr Ende August beschlossenen Stopp-Antrag beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin einreichen. Dieser Schritt richte sich gegen das Einverständnis des Verteidigungsministers mit der sofortigen Stationierung weiterer US-Hubschrauber in Erbenheim.