Von Hans dem Eber und glücklichen Sauen

■ Besuch auf einem Bauernhof bei Verden ohne Einzelhaft und Spaltenböden / Agrar-Opposition praktisch / Noch Probleme mit der Vermarktung / Fleischpreis 30 Prozent höher als bei Chemie-Schweinen

Schweine haben was Tänzerisches an sich! Jedenfalls, wenn sie keine Klauen- und Gelenkschäden haben und ihren gewaltigen und übrigens auch ziemlich länglichen Körper auf zierlichen Zehenspitzen des Wegs balancieren, wie die Natur sich das mal ausgedacht haben mag. Das tat die Sau, die lässig aus ihrem Koben in Richtung Wiese schlenderte, unbeeindruckt und ungestreßt von den taz-BesucherInnen aus der Stadt mit Notizblock und Fotoapparat.

In dem winzigen Dörfchen Oiste (bei Blender bei Verden bei

Bremen) wird es bald einen weiteren bäuerlichen Betrieb geben, der den strengen Richtlinien der ABL (Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, vgl. Kasten unten) entspricht: Bauer Karl-Heinz Rengstorf, seit 20 Jahren Landwirt, stellt seinen 17-Hektar-Hof um. Aus Empörung über die ungerechten Agrarregelungen, von denen nur die Großen profitieren, schloß er sich vor Jahren ABL an: „Sonst hätte ich nur die Alternative, einen Nebenerwerbsbetrieb zu machen oder ganz aufzuhören.“

Im Stall ist es hell, und von der

dumpf-apathischen Hoffnungslosigkeit industrieller Fleischproduktionsstätten ist nichts da. Es riecht nicht stechend nach Urin, sondern nach Mist und warmen Tieren. Wie im Bilderbuch liegen auf dickem Stroh neun zarte rosa Ferkel wie kleine Würstchen langgestreckt an der großen Sau (auch rosa) und trinken.

Bauer Rengstorf ist natürlich weniger sentimental als die BesucherInnen. Er zeigt Scheune und Boden, wo bis zum First Strohballen und ganze Dünen von Getreidebergen als Viehfutter lagern: „Ich baue Weizen, Gerste, Hafer und Winter-Raps an“, erklärt er, stolz auf die vielseitige Fruchtfolge, „dazu Futterrüben und Ackerbohnen, damit ich kein Soja und Tapioka aus der Dritten Welt verfüttern muß.“ Jede Art von Wachstumsförderern, Hormonen und Antibiotika sind tabu - anders als bei manchen Fleisch-Gütesiegeln wie 'Bauernsiegel‘, 'Lamdjuwel‘ und 'sus agnatum‘ , die solche Stoffe nur für die letzten Monate der Mast verbieten. Ökologische Landwirtschaft lehnt Bauer Rengstorf nicht ab aber „das ist nicht zu schaffen mit nur einer Person, das ist dann noch viel mehr Arbeit.“ Kompost allerdings macht Rengstorf seit langen Jahren jetzt wieder und spart sich damit „die chemische Halmbruch-Bekämpfung am Weizen, weil die Pflanzen viel widerstandsfähiger sind.“

Weil er sich als ABL-Betrieb anerkennen lassen will, muß er nur noch wenige Sachen umbauen: Die letzten Einzelställe kommen weg, weil die Säue sich in kleinen Gruppen am wohlsten fühlen. Jeder Koben bekommt durch einen Mauerdurchbruch einen Weg nach draußen. Ein paar dicke Eisenstangen kommen als Abstandshalter an die Kobenwände, damit die schweren Sauen ihre Ferkel nicht versehentlich zwischen sich und der Wand totdrücken können. In konventionellen Betrieben werden die Sauen zu diesem Zweck in einen engen („Abferkel„-)Käfig gesperrt.

Günstige Kredite bekommt der Bauer für seine Umbauten nicht, die gäbe es höchstens für die Umrüstung zum 400 -Schweine-Großstall. Noch ist der Betrieb im Übergang. Einige der größeren Ferkel aus der früheren Aufzucht haben kein Ringelschwänzchen mehr: „Sonst würde mir die keiner abkaufen.“ Wenn bei der normalen Haltung in Dunkelheit und Enge die Tiere verrückt werden und vor Aggressivität versuchen, beginnen sie, sich gegenseitig anzufressen - am Schwanz. Ein kupierter Schwanz war deshalb, so Rengstorf, auf Schlachthöfen geradezu ein Muß. Der dicke Eber 'Hans‘, Vater aller Ferkel, trottet derweil nach draußen. Da ist der Auslauf: eine saftige Wiese mit Zwetschgen- und Apfelbäumen.

'Hans‘ ist schlau und sucht lieber Äpfel, als Gras zu fressen.

Die Idee mit der alternativen Schweinemast ist ein Experiment und bringt erstmal nur Arbeit und Kosten. Bauer Rengstorf schuftet im Sommer rund 70 Stunden in der Woche. Sechs Betriebe in der Region wollen in diesem Winter mit der Mast nach ABL-Richtlinien loslegen. Dazu gehört auch eine Begrenzung des Bestandes nach Hektar: Weil es statt Spaltenböden Stroh gibt, dürfen nur so viele Tiere gehalten werden, wie das eigene Land unbeschadet an Mist aufnehmen kann, ohne nitratverseucht zu werden. Zwei „Dungheinheiten“ pro Hektar sind erlaubt, das sind zwei Rinder oder drei Sauen mit Nachkommen.

Sorgen macht noch die Vermarktung: Weil die Bäurinnen und Bauern im Vergleich zur Massentierhaltung weniger Tiere halten, mehr Arbeit investieren, länger und langsamer mästen und teureres Futter geben, liegt der Fleischpreis etwa 30 Prozent höher als der von Chemie-Fleisch. „Das machen die Verbraucher nicht mit“, hatten daraufhin die örtlichen Land -Schlachter abgewunken. Zusammen mit dem BUND, dem Tierschutzbund und anderen Organisationen plant ABL jetzt für Bremen eine eigene Vermarktung, vielleicht ein eigenes Geschäft in Bremen. Susanne Paa