Der Druck auf Israels Opposition wächst

■ Prozeß gegen Redakteure der hebräisch-arabischen Zeitung 'Nizzoz-Ash-Sharara‘ eröffnet / Vorwürfe: Kontakte zur „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ und Verbreitung staatsgefährdender Nachrichten / Redakteurin in Erzwingungshaft genommen

Fünfzehn Jahre Gefängnis erwarten die vier Redakteure der hebräisch-arabischen Zeitung 'Nizzoz-Ash-Sharara‘, wenn sie in dem Prozeß, der am Donnerstag vor dem Jerusalemer Amtsgericht begann, schuldig gesprochen werden. Die zwei Männer und zwei Frauen, alle jüdische Israelis, werden beschuldigt, in ihrer Zeitung staatsgefährdende Nachrichten verbreitet zu haben und Kontakte zu einer verbotenen Organisation, nämlich der „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“, unterhalten zu haben. Alle bestreiten die Vorwürfe und verweisen auf die israelische Zensurbehörde, der alle inkriminierten Artikel vorgelegen haben, bevor sie erschienen. Neben den vier war auch Hadas Lahav, Kulturredakteurin der Zeitung und Ehefrau des Angeklagten Assaf Adiv, einige Wochen lang verhaftet gewesen, dann aber ohne Erklärung wieder entlassen worden. Vor der Presse hatte sie schockierende Berichte über die Behandlung während ihrer Verhöre gegeben und damit eine Kampagne zur Freilassung ihrer Kollegen ausgelöst. Jetzt rief der Staatsanwalt Frau Lahav in den Zeugenstand, damit sie gegen die Angeklagten aussage. Unter Berufung auf ihren Angehörigenstatus als Ehefrau des Angeklagten Adiv verweigerte sie jede Aussage. Daraufhin beantragte der Staatsanwalt, das Verfahren gegen Adiv von dem gegen die übrigen drei abzutrennen. Das Gericht gab dem statt. Die erneute Aufforderung des Anklägers an Hadas Lahav, nun gegen ihre drei Kollegen auszusagen, verweigerte sie erneut. Aus dem Gerichtssaal heraus wurde sie daraufhin sofort verhaftet und in Erzwingungshaft genommen. Die taz sprach einige Tage vor Beginn des Prozesses mit Frau Lahav.

taz: Warum wurde gerade gegen Eure Gruppe der Prozeß eröffnet?

Hadas Lahav: Wir waren eine Gruppe, in der israelische Juden, israelische Araber und Palästinenser aus den besetzten Gebieten zusammen gearbeitet haben, und das ist etwas, das offensichtlich sehr viel Angst macht. Wir hatten auch sehr gute Kontakte in der Westbank und im Gaza, und in der Zeitung waren viele Informationen über die Ereignisse der Intifada. Das ist wahrscheinlich auch etwas, das sie verhindern wollten.

Wie hat es angefangen?

Unsere Gruppe war schon jahrelang aktiv, und 1982 haben wir angefangen, eine Zeitung herauszugeben: 'Nizzoz-Ash -Sharara‘. Wir haben uns viel mit den besetzten Gebieten beschäftigt und mit der Diskriminierung der israelischen Araber. Wir sind Mitglieder von Cadash - die Demokratische Front für Frieden und Gleichheit -, in der die wichtigste Gruppe die Kommunistische Partei ist, und die für die Zwei -Staatenlösung plädiert. Die Zeitung wurde in beiden Sprachen - Hebräisch und Arabisch - herausgegeben und verkauft. Alles wurde von dem Zensor kontrolliert. Trotzdem haben wir gegen Mitte Januar einen Brief vom Innenministerium bekommen, in dem er geschrieben hat, daß er Beweise dafür habe, daß die Zeitung „wirkliche Kontakte“ mit der demokratischen Front für die Befreiung von Palästinensa (DFLP) hat, und daß wir deswegen unsere Lizenz verlieren werden. Wir haben versucht, mit Anwälten dagegen zu kämpfen. Aber das ist eigentlich unmöglich, denn obwohl Israel demokratisch sein soll, ist die Pressefreiheit überhaupt nicht gesichert. Jede Zeitung kann jeden Tag aus „Sicherheitsgründen“ geschlossen werden, ohne daß das Ministerium seine Gründe dafür nennen muß. So wurde auch unsere Zeitung geschlossen.

Hat Euch das überrascht?

Wir waren überrascht, denn das war ein Präzedenzfall. Früher wurden schon arabische Zeitungen geschlossen, aber dieses war das erste Mal, daß dieses Gesetz gegen eine hebräische Zeitung benutzt wurde. Andererseits wurde damit das, was wir immer gesagt haben, bestätigt: daß man keine 'halbe‘ Demokratie haben kann, und daß die Unterdrückung in den besetzten Gebieten irgendwann auch die Demokratie innerhalb Israels zerstören wird. Es ist klar, daß mit der Intifada die Unterdrückung in den besetzten Gebieten größer wird, und damit wächst auch die Opposition innerhalb der israelischen Gesellschaft. Weil das jetzt geschieht, fangen sie an, die Opposition in Israel auch zu unterdrücken.

Wie habt ihr auf die Schließung reagiert?

Wir waren entschieden, nicht zu schweigen, und haben dann noch zwei Zeitungen herausgegeben - als einmalige Publikationen brauchten wir keine Lizenz dafür. Das war Mitte Februar, also zwei Monate nach Beginn der Intifada. Bald danach wurde Ribhi-El-Aruri, unser palästinensicher Mitarbeiter, verhaftet und über seine Arbeit in der Zeitung verhört. Da nichts gegen ihn vorlag, wollte der Richter die Haft nicht verlängern, und er sollte entlassen werden. Stattdessen aber wurde er für sechs Monate in administrativer Haft gehalten. Yaakov Ben Efrat wurde Mitte April verhaftet, Ronnie Ben Efrat und Michael Schwartz ein paar Tage danach. Ich selbst wurde am 5.5.88 verhaftet.

Wie waren die Haftbedingungen?

Die ersten zwölf Tage war ich in Isolierungshaft: Es ist ein Zimmer, das vier Quadratmeter groß ist, mit einem Loch, das als eine Toilette dienen soll, und wo die Wände mit Scheiße beschmiert sind. Es gibt kein laufendes Wasser, das Fenster ist immer zu. Du bist total isoliert. Ich wurde nur zwölf Tage da gehalten, Michael 21 Tage und Ronnie 16. In acht Tagen habe ich fünf Kilo verloren.

Du wurdest entlassen, gegen Deine Freunde aber wurde Anklage erhoben: Womit seid Ihr beschuldigt?

Sie sagen, daß wir Kontakt mit der DFLP aufgenommen haben, daß wir Mitglieder dieser Organisation geworden sind, daß die DFLP unsere Zeitung finanziert hat. Das ist alles Unsinn, aber nach dem „Anti-Terror„-Gesetz ist das alles streng verboten.

Das Interview führte Rolly Rosen