Birmas Altherrenriege bildet Gegenregierung

■ 1962 gestürzter Ex-Ministerpräsident U Nu gibt Bildung einer Übergangsregierung bekannt / Ex-Stabschef Tin Oo soll als Verteidgungsminister die Armee einbinden / Wahltermin auf 9.Oktober angesetzt / Weiter Weg zum Parteienpluralismus

Rangun (taz/ap) - Der 1962 gestürzte Ex-Ministerpräsident U Nu hat gestern die Bildung einer Übergangsregierung bekanntgegeben und sich selbst zu ihrem Chef ausgerufen. Das erste Oppositionsbündnis neben der Studentenorganisation, das sich am Sonntag vor einer Woche unter dem Namen „Liga für Demokratie und Frieden“ zusammmenfand, hatte also mehr als nur symbolischen Charakter.

Ausländische Beobachter waren zunächst skeptisch, ob die darin versammelte Altherrenriege unter Schirmherrschaft des 82jährigen U Nu zu einer Übergangsregierung imstande sei. In einem Schreiben, das diplomatischen Vertretungen in der Hauptstadt zuging, erklärte U Nu unter Anspielung auf seinen Sturz durch das Militär vor 26 Jahren, er habe in Ausübung seiner Rechte wieder die Macht übernommen, die General Ne Win ihm damals entrissen habe. Bis heute gilt U Nu als angesehener Staatsmann, der sich im Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft bewährte, obschon es auch ihm während seiner Amtszeit mit Unterbrechungen von 1948-1962 nicht gelungen war, in dem Vielvölkerstaat ein stabiles Mehrparteiensystem zu installieren.

Nach Ne Wins unblutigem Militärputsch wurde U Nu zunächst inhaftiert. Er ging nach seiner Freilassung nach Thailand ins Exil und formierte dort eine Widerstandsbewegung. Erst 1980 kehrte er unter dem Versprechen, sich fortan nicht mehr politisch zu betätigen, nach Birma zurück.

Zum Staatspräsidenten proklamierte U Nu den früheren Staatschef Mahn Win Maung, einen 72 Jahre alten Angehörigen der Karen-Minorität, der mit seinen Hussarenstreichen gegenüber den Japanern bereits 1945 Furore machte. Wichtigster Mann des neuen, 25köpfigen Kabinetts ist indessen der pensionierte General Tin Oo. Der 1976 wegen Verwicklung in einen Putschversuch geschaßte und daraufhin bis 1980 inhaftierte Ex-Stabschef ist zum Verteidigungsminister ernannt worden. Ihm kommt die Rolle eines Bindeglieds zwischen der zunehmend gespaltenen Opposition zu. Großer Beliebtheit erfreut er sich nicht allein bei der Bevölkerung, er verfügt auch noch über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Militärs, und hier besonders bei den jüngeren Rängen. Aung Gyi, dessen kritische Briefe an die Regierung Ne Win im letzten Jahr für Schlagzeilen sorgten, erklärte indessen, er sei froh, daß sein Name nicht im Gegenkabinett U Nus zu finden sei. U Nu kündigte Wahlen an, doch sollen diese in Ermanglung von Wahlzetteln und anderen Materials lediglich in den Städten abgehalten werden.

Gewiß ist der von U Nu anberaumte Wahltermin für den 9.Oktober zu kurzfristig, als daß sich neben den momentan offenbar vorherrschenden restaurativen Tendenzen eine pluralistische Parteienlandschaft, die 26 Jahre lang rigoros unterdrückt wurde, entfalten könnte.

Lediglich die ethnischen Minoritäten, gegen die die zentralistische Militärregierung in Rangun seit 40 Jahren einen zehrenden Bürgerkrieg führt, verfügen über einen organisierten Apparat. So oder so: eine neue birmanische Regierung wird die Balance zwischen den mineral- und rohstoffreichen peripheren Regionen des Landes - in der Hand der ethnischen Minoritäten - und dem bevölkerungsreichen, überwiegend Reis produzierenden Zentralbirma finden müssen.

Simone Lenz