„Gift„-Raub vorm Stiefel

■ Strafkammer verhandelt „Raub“ / Falsche Anschuldigung?

Am vergangenen Freitag saß die 1. Große Strafkammer über einem kleinen Vorgang vor dem „Stiefel“. Werner C. (27 Jahre) hatte Carlos S. (30 Jahre) angezeigt, ihn im April 1988 mit einer Gaspistole bedroht zu haben und ihm 320 Mark abgenommen zu haben. Uta B. ist der Mittäterschaft angeklagt - sie soll Werner C. unter der Vorwand, „mit ihm Geschlechtsverkehr auszuführen“ (so formuliert es die Pressestelle des Gerichts) aus dem Lokal gelockt haben, und soll dann Schmiere gestanden haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, der vermeintliche Täter wurde gefasst und wegen Raubes vor Gericht gebracht.

Uta B. kam direkt aus der 5monatigen U-Haft in den Gerichtssaal, Carlos S. sitzt wegen einer anderen Sache. Aber die neuen Vorwürfe bestreiten beide heftig: Die Freundin des Angeklagten, Uta B., berichtete dem Gericht, Werner C. habe ihr mit den Worten „Willst Du Gift haben?“ Heroin angeboten. Carlos S. brauchte einen „Druck“, und konnte dafür nur eine Waffe anbieten. Tatsächlich habe er dem Kleindealer die Päckchen dann einfach weggenommen, jedoch ohne dabei Gewalt anzuwenden.

Die Sache wird kompliziert. Welche Version stimmt? Die Mitangeklagte Uta B. bemüht sich, dem Gericht mit einer plausilen Version bei der Wahrheitsfindung behilflich zu sein: Wenn Werner C. Kleindealer sei und ihm Geld gegenüber seinem „Stoff„-Lieferanten fehle, müsse er sich diesem gegenüber vielleicht rechtfertigen und habe deshalb diese Anzeige konstruiert.

Werner C. war als erster Zeuge geladen, aber nicht erschienen. Das Gericht unterbrach die Verhandlung und erließ einen Vorführungsbefehl. Die Polizei fand ihn allerdings nicht, er kam schließlich gegen Mittag im Gericht vorbei: Ein kleiner Mann in abgetragenen Klamotten betritt den Gerichtssaal. Er habe das „verschwitzt“, entschuldigte er sich. Zögernd und ausweichend antwortete er auf die Fragen der Richterin. Nachdem ihn das Gericht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht hatte, machte er Gebrauch davon. Eine groteske Situation entstand, als die Richterin ihn dennoch zum Reden bewegen wollte. Der beisitzende Richter, die Verteidiger und die Staatsanwältin bewahrten ihn vor falschen Schritten. Denn wenn die Anzeige nicht der Wahrheit entspricht, sitzt Werner C. in einer Zwickmühle: Er hätte sich auch strafbar gemacht, wenn er eine „falsche Anschuldigung“ zugeben muß.

Maren Böttcher

Das Verfahren wird fortgesetzt.