Jubiläums-Fünfkampf mit Stempelkissen

■ Der „Tag des Deutschen Sportabzeichens“ im Sportzentrum Schöneberg / Autor Jürgen Schulz ergatterte eine Nadel

Der Bundespräsident besitzt es, und auch Hürdenstar Harald Schmid hat es am Revers heften: das Deutsche Sportabzeichen. Der deutsche Sportorden feiert seinen 75.Geburtstag, Grund genug für den Landessportbund (LSB), einen „Tag des Sportabzeichens“ zu inszenieren. Hunderte kamen ins Sportzentrum Schöneberg, um es den Großen nachzumachen. „Jeder kann es schaffen“, spornte LSB-Vizepräsident Peter Hanisch seine Freizeit-Olympioniken an. Vorausgesetzt, man findet den Anmeldestand. „Typische Vereinsmeier“, motzt kurz nach acht Uhr in der Frühe ein sichtlich nervöser Familienvorstand, der sich seinen erstmals angetretenen Kindern als Wiederholungstäter präsentieren will. „Da tut man was für seine Gesundheit und die Herren Funktionäre lassen einen im Stich“, sprach's und fährt mit dem propperen BMW zur 400 Meter entfernten Rezeption. Viele machen sich das Leben jedoch selber schwer und beginnen mit dem Langlauf: 1.000 bis 1.500 Meter sind je nach Altersklasse zurückzulegen - manchem mag der Weg zur nächsten Station wie die zweite Disziplin vorgekommen sein. Auf dem Dominicus -Sportplatz, dem Hauptfeld der Ehre, geht es zu wie auf einem Volksfest, alte Herren jagen, Erdnägeln gleich, in die Weitsprunggrube, Frauen bejubeln ihre Sprintzeiten über 75 Meter. Besonders angeheitert verläuft das Kugelstoßen, wo der Disziplin entsprechend rustikalere Töne angeschlagen werden: „Habt ihr heute morgen den Riebschläger gesehen? Mann, hat der wat druff - aber als Politiker schafft man jede Norm, egal wie“, krakelt der Mann mit der Ergebnisliste. Widersprechen möchte da niemand, schließlich ist man auf seinen Stempelabdruck angewiesen. Hohes Lob zollen die Experten dem ehemaligen Bundessenator Blüm, der „für seine Größe ein echter Hammer“ gewesen sein soll. „Seine Stoßtechnik - super!“, brüllt das bereits zitierte Stempelkissen. „Nur schade, daß er dabei manchmal die Kugel vergessen hatte.“ Gute Stimmung, zufriedene Gesichter, ein gelungenes Fest der Mittelklasse, denn Spitzenathleten können durchaus scheitern. So das Marathon-As, das unter dem Gewicht der 7,5 kg schweren Kugel schier zusammenbricht. Gottseidank sind keine Triathleten zu sehen, dies kann nämlich zu schweren Motivationsproblemen führen, haben doch die Eisenmänner die bedenkliche Angewohnheit, alle fünf Disziplinen (Langlauf, Sprint, Kugelstoßen, Weit- oder Hochsprung sowie Schwimmen) in einem Aufwasch durchzuziehen

-die Besten sollen es angeblich unter 30 Minuten schaffen. Da aber die beiden Arenen in Schöneberg weit genug vom Hallenbad in der Charlottenburger Krummen Straße entfernt liegen, kann daraus nichts werden. Ein Hoch dem Dezentralismus! Die schönste Disziplin, das Schwimmen, hat der LSB bis zum Schluß aufgehoben. Mit einem eigens eingerichteten Buspendelverkehr erreichen die bereits abgekämpften Athleten des Alltags das Bassin. Endlich eine Sportart, bei der man nicht schwitzen muß!

Jürgen Schulz