Eine Katastrophe

Wehe, es passiert in Berlin wirklich etwas  ■ K O M M E N T A R

Eigentlich hätte bei diesem Übungs-Aufwand alles klappen müssen. Alle wußten lange vorher, an welchem Übungsort sie welche Lage vorfinden würden. Und doch wurden ganze Sanitätszüge stundenlang in die Irre geführt, Verbandsmaterial fehlte, Krankenhäuser waren nicht auf Vergiftungen und Verstrahlungen eingestellt. Und vor Ort starben die Leut. Man übe ja, um solche Fehler in der Realität auszuschalten, so die Organisatoren - als ob es je in einem Ernstfall besser geklappt hätte. Die hilflosen Helfer in Ramstein und bei anderen Unglücken hat noch jeder vor Augen; deren „über„-menschlicher Einsatz überdeckt, daß das angehäufte technische Gefahrenpotential nicht mehr mit Katastrophenplänen zu beherrschen ist.

Die in Berlin geäußerte Genugtuung über den selbstlosen Einsatz der 2.500 Helfer bei der Übung läßt nicht erwarten, daß noch jemand fragt, warum in Berlin ein Atomreaktor betrieben werden muß, warum immer mehr gefährliche Güter per LKW durch Wohngebiete gekarrt werden, warum ein Luftkreuz auch ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt. Bürgerinitativen, die sich um Katastrophenvermeidung kümmern und Industrieunternehmen wie „Sonnenschein“ oder „Schering“ auf ihre Gefahren hin abklopfen, wird mit Hinweis auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen das Leben schwergemacht. Die sicherlich spektakuläreren Verdienste von Katastrophenschutzhelfern zeichnete Kewenig am Wochenende mit Orden en masse aus.

Wenn bei dieser Übung auch jede Verbindung zu einem Kriegsfall abgestritten wurde, zumindest hier drängt sich eine Parallele auf: Die Befehlshaber, die aussichtlose Lage vor Augen, loben den Heldenmut an der Front und können sich im Falle einer Niederlage in politisch - rhetorische Ausflüchte retten.

Siehe Bericht Seite 18Thomas Rogalla