Wo bleibt die EG?

■ Reaktionen auf den Völkermord an den Kurden

Seit Jahren wird in Brüssel davon geredet, wie wichtig es doch wäre, parallel zu einem europäischen Binnenmarkt eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu entwickeln. Tatsächlich offenbart sich dieses Vorhaben als simple Chimäre immer dann, wenn es wirklich darauf ankäme. Jüngstes Beispiel ist der Völkermord an den Kurden im Irak. Während der amerikanische Senat eine Resolution verabschiedet, die dem Irak massive Sanktionen androht, hat es die EG bislang noch nicht einmal für notwendig gehalten, sich zu dem Thema überhaupt zu verständigen. Dabei wäre sie ungleich eher gefordert als die USA. Die kurdische Tragödie spielt sich direkt vor ihrer Haustür ab und die durch die Flüchtlinge unmittelbar betroffene Türkei ist assoziiertes Mitglied der Gemeinschaft.

Trotzdem kann sich das zuständige Kommissionsmitglied Cheysson selbst bei einem Besuch in Ankara zu keiner Stellungnahme durchringen, hüllen sich bis auf Mitterrand alle Staats- und Regierungschefs der EG in Schweigen. Vielleicht können sich unsere Staatenlenker jetzt, im Windschatten der USA, noch zu Maßnahmen durchringen, um die Giftgasmorde zu stoppen. Wahrscheinlicher aber ist, daß die Wirtschaftsgemeinschaft Westeuropa darauf setzt, ihre Auftragsbücher bei einem Bruch der irakische-amerikanischen Beziehungen erst recht vollzubekommen.

Jürgen Gottschlich