Papiertiger

■ Zur Blockfreien-Tagung in Nikosia

Wenn ein Haufen Diplomaten Schwierigkeiten hat, einen Ober -Diplomaten zu küren, weil keiner den Hampelmann machen will, sagt das viel über den Zustand dieses Gremiums. Wenn diese Institution zudem seit Jahren nichts als Resolutionen produziert, die das Papier nicht wert sind, auf das sie geschrieben sind, ist dieser Laden reif zur Selbstauflösung. Genau so weit ist die Bewegung der Blockfreien gekommen.

Bei der Außenminister-Tagung der Blockfreien wurde ausgerechnet jenem Land der Vorsitz übertragen, das zuvor eindrucksvoll sein Desinteresse an dem ganzen Gremium dokumentiert hatte: Jugoslawien, das schlicht zwei Tage zu spät zu der viertägigen Konferenz eingetroffen war. Interesse an der Führung der Gruppe von immerhin 101 Staaten hat Belgrad sowieso nicht: die eigenen Probleme drücken schon schwer genug, da will man sich nicht noch diesen Rest der Welt aufbürden.

In der Phase der Entkolonialisierung fand die Blockfreien -Bewegung ihren politischen Höhepunkt. Heute hat sie sich faktisch aus der Politik verabschiedet. Die Staaten der „Dritten Welt“ regeln ihre Probleme nicht selbst, egal ob West-Sahara, Angola, Golf oder Afghanistan. Es sind die verbesserten Beziehungen zwischen den Supermächten, die eine Konflikt-„Lösung“ dort ermöglichen. USA und UdSSR können die ganze Welt zu ihrem gemeinsamen Hinterhof erklären. Denn die Besitzer des Hofs benehmen sich wie die Hofhühner: sie hacken sich gegenseitig. In keiner relevanten Frage konnte die Blockfreien-Bewegung in den letzten Jahren mehr die Initiative übernehmen. Solidarität zwischen den Staaten der „Dritten Welt“ wurde zum Fremdwort, weil die internen Probleme so erdrückend geworden sind, daß jedem das Hemd näher ist als die Jacke. Da helfen auch keine Außenminister -Tagungen mehr: die Blockfreien sind ein Papiertiger.

Klaus Hillenbrand