Die Diktatur ist am Ende

■ Nach 26 Jahren Militärherrschaft sollen in Birma jetzt freie Wahlen stattfinden

Peoples Power auf birmanisch: mit ununterbrochenen Demonstrationen, Arbeitsniederlegungen und letztlich auch Befehlsverweigerungen in der Armee schaffte die birmanische Bevölkerung es als erste, dem philippinischen Vorbild nachzueifern. Unklar ist dagegen noch, wie die personelle Alternative der Opposition aussieht. Ob der greise U Nu es schafft, die Studenten und ethnischen Minoritäten des Landes hinter seiner Altherrenriege zu versammeln, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen.

Nach wie vor einstimmig haben sich die 446 Abgeordneten des birmanischen Parlaments am Sonntag für Wahlen unter Beteiligung mehrerer Parteien ausgesprochen. Darüberhinaus wurde ebenso einstimmig beschlossen, die birmanische Verfassung von 1974 zu ändern und die darin verankerte Ein -Parteien-Herrschaft der Birmanischen Sozialistischen Programmpartei abzuschaffen. Nach wochenlangen massiven Protesten hat die Oppositionsbewegung damit einen ersten politischen Sieg davongetragen. Ausschlaggebend für das vorgezogene Zugeständnis war die unverhohlene Entschlossenheit der Opposition, den ursprünglich für den 12.September angesetzten Parteitag zu sprengen. Ein übriges tat U Nus, wenn auch in der Opposition umstrittene, Bildung einer Gegenregierung am Freitag. Als zu voreilig wird die Ankündigung des alten Hasen (82), bereits am 12.Oktober freie Wahlen abzuhalten, angesehen, zumal er es offenbar nicht für nötig befand, seinen Schritt mit Studentengruppen oder mit anderen prominenten Oppositionsfiguren abzusprechen.

Am Sonntag bildeten die Abgeordneten eine Wahlkommission: Fünf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sollen innerhalb von sechs bis zwölf Wochen Parlamentswahlen organisieren, zu denen alle politischen Gruppen zugelassen werden sollen. Der Zeitraum bis zur Wahl könne verlängert werden, falls erforderlich, heißt es in einer Resolution des Parlaments. Auch die Wahlkommission könne vergrößert oder verkleinert werden. Bis zu den Wahlen soll die BSPP weiterregieren.

Während die Menschen in den Straßen von Rangun den Beschluß der Parteileitung am Samstag jubelnd begrüßten, zweifelten Sprecher der Studenten und anderer Oppositioneller weiter an den wahren Absichten der Regierung. Sie wiesen die Zugeständnisse zurück und verlangten erneut den sofortigen Rücktritt der Regierung, die bereits die Kontrolle über zahlreiche örtliche Verwaltungen im Land verloren hat. Die Oppositionellen befürchten, daß die BSPP lediglich Zeit gewinnen will, um ihre Macht und Glaubwürdigkeit wieder zu stärken. Vor dem Zentralkrankenhaus in Rangun demonstrierten am Sonntag wieder einige zehntausend Demonstranten.

Staatspräsident Maung Maung warnte die Bevölkerung indessen am Sonntag vor weiteren Streiks und Demonstrationen. „Parallele Verwaltungen“, die im ganzen Land von Oppositionellen errichtet wurden, um den Machtwechsel unmittelbar zu vollziehen, seien „für die Sicherheit des Staates gefährlich“. „Dies ist ein historischer Tag“, erklärte er nach Beendigung der Parlamentssitzung. „In 20 Jahren werden wir wissen, ob die Entscheidung richtig war.“ Immerhin, am Samstag hatte Maung vor dem BSPP-Zentralkomitee erklärt, daß er und andere Parteiführer bei den Wahlen nicht kandidieren sollten.

Dennoch unterließ Maung es nicht, eine lange Lobeshymne auf den ehemaligen Staatschef Ne Win zu halten, der nach seinem Staatsstreich 1962 die Ein-Parteien-Herrschaft eingeführt hatte. Maung erklärte, die „Fehler der Vergangenheit“ seien auf „menschliche Faktoren“ zurückzuführen, die die BSPP korrumpiert hätten. Er rief die Beamten auf, ihre Arbeit wiederaufzunehmen und beschwor die Armee, den jetzt eingeleiteten Demokratisierungsprozeß in Birma zu unterstützen.

Simone Lenz