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Solidar-Beobachtung

■ Eine Berliner Delegation berichtete von ihrer Beobachtung des Massenprozesses von Ankara

Über ihren Besuch in der Türkei berichtete gestern die zurückgekehrte Berliner Delegation, die einen Tag lang als Prozeßbeobachter dem Devrimci-Yol-Prozeß in Ankara beigewohnt hatte. In diesem Massenprozeß sind zahlreiche der 723 angeklagten Anhänger der in der Türkei verbotenen Bewegung Devrimci Yol von der Todesstrafe bedroht. Viele von ihnen - so die Erfahrung der Prozeßbeobachter - seien gefoltert worden.

Befragt zum Sinn von Prozeßbeobachtern, sagte die aus Parlamentariern der SPD und AL sowie einem Anwalt, einem Arzt und Studenten bestehende Delegation, daß sich durch ihre Anwesenheit beim Prozeß wenigstens während dieser Zeit das „Klima entschärft“ hätte und die Rechte der Angeklagten stärker beachtet worden wären. Der Vertreter der Berliner Ärztekammer, Graessner, mache sich allerdings keine „Illusion“, die späteren Urteile durch seinen Besuch „in irgendeiner Weise beeinflußt zu haben“.

Die der Pressekonferenz beiwohnende AL-Abgeordnete Sevim Celebi-Gottschlich, die selbst nicht an der Reise teilgenommen hatte, widersprach Graessners Darstellung. Die türkische Regierung fürchte die europäische Öffentlichkeit und wünsche sich nichts mehr als ein demokratisches Image. Die Anwesenheit ausländischer Prozeßbeobachter werde sich garantiert im Urteil niederschlagen. Im übrigen gehe es bei solchen Besuchen auch darum, all jenen, die für die Demokratisierung kämpfen wie etwa der türkische Menschenrechtsverein in Ankara, Mut zu machen.

Der SPD-Abgeordnete Barthel bemerkte, daß die Reise in bezug auf die Angeklagten auch ein Stück weit als „Ausdruck der Solidarität“ zu werten sei. Initiativen, wie bei den chilenischen Todeskandidaten Asyl zu fordern, machten keinen Sinn. Denn - so Barthel - im Gegensatz zu den Chilenen gebe es hier gar keine Übernahmemöglichkeit eines anderen Staates.

E.K.

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