IN THE GHETTO

■ Abgesang auf die „Neue MusikTheaterWerkstatt“

Mit Luciano Chaillys Kahler Sängerin und einer Vier -Ton-Oper, die die Wiener Kammeroper im Hebbel-Theater präsentierte, ging soeben die „Neue MusikTheaterWerkstatt“ zu Ende, wobei, vielleicht nicht zufällig, gerade eine der beiden letzten Produktionen Opernallüren parodierend bloßstellte und damit die ganze Operngattung aufs Korn nahm. Vor allem den Werkstattcharakter schuldig geblieben ist uns diese Veranstaltungsreihe mit Gastspielen der Münchner Biennale, der Staatsoper Wroclaw, der Norske Opera, der Glyndebourne Touring Opera, der Göteborgs Universitet, der Hamburger Hochschule für Musik und der Wiener Kammeroper. Denn keine der Aufführungen war Resultat eines heute so beliebten „work in progress„; es gab an diesen Aufführungen offenbar nichts, an dem noch gebastelt hätte werden können außer vielleicht, daß die Norske Opera wegen einer notwendig gewordenen Spielplanänderung ein neues Werk aus dem Fundus hervorzauberte. Der gegenwärtig inflationäre Gebrauch des Begriffes Werkstatt war hier also keinesfalls gerechtfertigt, weil eben Arbeitsweisen des neuen Musiktheaters unsichtbar blieben - abgesehen davon, daß man sich auch nicht auf irgendwelche Experimente einließ. Aber wir lieben es ja, fallen täglich darauf herein, simple Ware in aufgemotzter Verpackung zu kaufen, die dadurch zwar aufgewertet scheint, die Sache selbst aber weder besser noch schöner macht. Eine weitere Feststellung - und die ist leider ebenfalls nicht neu: Der zeitgenössischen Oper wird gern das Metier der Kammeroper überlassen. Und das hat manch handfesten Grund. Die ohnehin beim Publikum ungeliebte Moderne ist in dieser Form kostensparend (wenige Musiker, Solisten, niedrige Ausstattungskosten). Der teilweise erschreckend geringe Publikumszuspruch führte aktuell das Dilemma überdeutlich vor Augen. Die gegenwärtige Finanzkrise der Opernhäuser verstärkt da noch die Tendenz, zeitgenössische Opern aus den großen Häusern herauszunehmen, um sie auf sogenannte Studiobühnen zu verbannen. Einerseits bringt man damit die Besucherstatistik ins reine, zum anderen verschreckt man das heißumworbene und mit viel Unverständnis reagierende Abonnentenpublikum nicht weiter. Daß aber in dieser Entwicklung eine Ghettoisierung der Moderne verborgen liegt, ist nicht von der Hand zu weisen.

So unglücklich und diffus die Veranstaltungsreihe mit Neue MusikTheaterWerkstatt betitelt wurde, so halbherzig erscheint ärgerlicherweise deren Organisation. Da man immerhin mehrere fremdsprachige Produktionen einlud und es kaum einen Opernbesucher geben dürfte, der gleichermaßen gut englisch, polnisch und norwegisch versteht, wäre die Zur -Verfügung-Stellung von ins Deutsche übersetzten Texten dringend nötig gewesen. Es reichte darüber hinaus nicht einmal in allen Fällen, eine einigermaßen plausible Inhaltsbeschreibung zu bewerkstelligen.

Sicher ist, die Neue MusikTheaterWerkstatt dürfte weder etwas in Gang gesetzt haben noch etwas bewirken. Im Überangebot an kulturellen Ereignissen in diesem Jahr dürften die Gastspiele leider schnell wieder vergessen sein, wie auch ein neues Publikum sicherlich nicht erreicht wurde.

ec