„Wegmachen, niederreißen“

„Unerhört, unmöglich!“ Und bald darauf: „Wegmachen, niederreißen!“ Ich gebe zu, es gibt in unserer Stadt Diskussionen, die mich wegen ihres Niveaus und ihrer Haltung erschrecken. Bremer Boulevard-Medien tragen derzeit bedenken - und zum Teil gnadenlos die Tendenzen von kleinkarierter Unduldsamkeit und engstirniger Intoleranz zu Markte. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht gegen, sondern ausdrücklich für die Auseinandersetzung mit Kunst, Das schließt streitige Diskussionen mit ein. Aber ich bin ein entschiedener Gegner von populistischen Parolen, die Vorurteile produzieren und die so gar nicht zu unserer freien Hansestadt passen.

Zwei Vorfälle, die mich bis heute aufregen und über die ich mich hier entrüste: der Umgang mit der Architektur des neuen Platzes Domsheide und mit der Kunst, die zur Zeit auf diesem Platz gebaut wird.

Die meisten werden sich erinnern, die Domsheide war bis vor kurzem noch ein Platz, der nicht geordnet war und der vom Autoverkehr dominiert wurde. Gestaltet wurde er von der Essener Architektin Marlene Zlonicky. Sofort wurde rigide und unduldsame Kritik laut, die sich dazu verstieg, die Begehbarkeit des Platzes mit Stöckelschuhen zum Kriterium der Gestaltung zu machen. Darüber hinaus wurde bemängelt, daß bestimmte Gestaltungen womöglich zum Fußgängerhindernis werden könnten. Dies mußte dann entfernt werden. Man stelle sich vor, man würde die Plätze in Rom, Moskau, London usw. nach diesen Maßstäben beurteilen!

Der renommierte dänische Künstler Per Kirkeby ist ein anderer Stein des Anstoßes. Er hat für diesen Platz einen Turm in Backstein entworfen, der von der von Gerd Schulze neugestalteten Volksbank plaziert ist. Mit der Skulptur erhält dieser Platz sein Profil. Ein Profil, an dem man sich selbstverständlich reiben kann.

Beides sind Beispiele von Stadtgestaltung von hervorragender Qualität. Es sind allerdings neue Akzente und nicht Wiederholungen. Es sind Zeichen, die über das Alltägliche und Gewöhnliche hinausgehen.

In Siena, Kopenhagen oder beiden Berliner Städten z.B. kann man Beispiele dafür besichtigen, daß Mut zu Originalität und künstlerischem Anspruch Voraussetzung für die Anziehungskraft von Städten sind.

Auch Bremen hat für diese Haltung Tradition. Mancher in dieser Stadt weiß noch, wie hoch die Wellen der Diskussionen schlugen, als der Künstler Hötger die Böttcherstraße gestaltete. Eine Provokation für alle die, die Althergebrachtes für den Maßstab aller Dinge halten. Es steht zu vermuten, daß diejenigen, die jetzt mit schneller und abwertender Beurteilung bei der Hand sind, auch zu den Gegnern von damals gehört haben.

Hans-Helmut Euler