Libanon: Neues Kandidatenkarussell

US-Staatssekretär Murphy verhandelt in Damaskus / Gesprächsgegenstand ist die Nachfolge für den libanesischen Präsidenten Gemayel / USA inoffiziell gegen eine Kandidatur des prosyrischen Franghie  ■  Aus Beirut Petra Groll

Große Erwartungen knüpft die libanesische Öffentlichkeit an den Besuch des US-Sonderbotschafters Richard Murphy in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Murphy war am Dienstag abend in Begleitung des neuen US-Botschafters in Syrien Edward Djerejian in Damaskus gelandet. Seine Gespräche mit syrischen Politikern werden sich nach Angaben aus Washington hauptsächlich um die Wahl des Nachfolgers von Präsident Gemayel drehen, dessen Amtszeit am 23.September abläuft. Nachdem am 18.August die erste Wahlversammlung des libanesischen Parlaments gescheitert war, hatten vor allem Libanons Maroniten verstärkt auf einen neuen Vermittlungsversuch der USA gedrängt. Die Parteien der christlich-maronitischen Bevölkerungsgruppe hatten im August ihre Abgeordneten zum Boykott der Wahl veranlaßt, nachdem der prosyrische Altpräsident Suleiman Franghie seine Kandidatur für die Präsidentschaft angekündigt hatte. Obwohl aus Washington wiederholt verlautete, die USA hätten kein Veto gegen irgendeinen der weit über 50 Kandidaten eingelegt, wurde sowohl aus der US-Botschaft in Ostbeirut wie auch offiziellen israelischen Quellen mehr als einmal betont, daß Franghie dem Land keinen Frieden bringen könnte. Mit einem Präsidenten Franghie werde ausschließlich die syrische Hegemonie im Libanon verstärkt.

In Leitartikeln der libanesischen Presse hieß es am Mittwoch morgen: Wenn Murphys Reise erfolglos bleibe und keine Übereinstimmung zwischen den USA und Syrien erreicht werde, dann werde im Libanon die Hölle los sein. Einen neuen Staatspräsidenten werde es dann nicht geben und dem Land drohe die Teilung. Der libanesische Präsidentensprecher Al -Husseini hatte am Wochenanfang den 22.September als neues Datum für die Präsidentschaftswahl festgelegt. Außerdem gab Al-Husseini bekannt, die Sitzung solle nicht wieder im provisorischen Parlamentssitz, der „Villa Mansour“, stattfinden, sondern im regulären Parlamentssitz am Place d'Etoile im alten Beiruter Stadtzentrum an der „grünen“ Demarkationslinie.

Die Festlegung des Wahltages wird in Beirut als Manöver Al -Husseinis gewertet, um die Bildung einer maronitisch geführten Übergangsregierung zu verhindern, die Gemayel laut Verfassung einsetzen müßte, sollte bis zum 23.September sein Nachfolger nicht feststehen. Nabih Berri, Chef der Schiitenbewegung Amal und Minister für Südlibanon, griff den Präsidentschaftskandidaten Raymond Edde scharf an, der am Montag vom Pariser Exil aus endgültig seine Bewerbung bekanntgegeben hat. Edde sei Kandidat des maronitischen Establishments. Es werde nicht zur Wahl eines neuen Präsidenten kommen, fügte Berri hinzu, wenn nicht eine Verständigung über grundlegende Reformen des libanesischen Systems beständen.