Der letzte Heuler robbt in Büsum

■ 90 Prozent aller Robben vor Schleswig-Holstein sind verreckt / Mitwirkung der Schadstoffe am Robbentod wird untersucht

Berlin (taz) - Ausflüge zu den Seehundbänken an der schleswig-holsteinischen Küste werden wohl auch künftig nicht mehr möglich sein. Die neuesten Zahlen der verschiedenen Umweltschutzorganisationen wie auch die der offiziellen Stellen berichten, daß mittlerweile etwa 90 Prozent des früheren Robbenbestandes verendet ist. Die Anzahl der im Wattenmeer verendeten Tiere ist damit auf über 4.700 gestiegen. Insgesamt sind jetzt in der Nordsee weit mehr als 12.000 Robben krepiert. Die Zahl der täglich geborgenen Kadaver ist nach Angaben der Umweltbehörden auch an den Küsten Englands, in den Niederlanden und in Dänemark steigend. Wissenschaftler haben in den letzten Wochen wiederholt erklärt, die Robben-Population könne sich nicht mehr regenerieren, wenn der Bestand unter 20 Prozent seiner früheren Größe gefallen ist.

Das Robbensterben macht auch vor den Seehundaufzucht -Stationen nicht halt. Von 112 Tieren sind in der Schutzstation in Büsum (Nordfriesland) im Laufe des Sommers 111 gestorben. Die teilweise heftigen Spekulationen um die Ursachen des Massenssterbens sind zwischenzeitlich durch Trauergesänge ersetzt worden. Wurden bis vor kurzem von den verschiedenen Wissenschaftlern jeweils verschiedene Viren für den Tod in der See verantwortlich gemacht, ist die Schadstoffbelastung von Nord- und Ostsee jetzt wieder in den Mittelpunkt der Untersuchungen gerückt. Das Institut für Veterinärpathologie an der Berliner Freien Universität hat zuletzt nach der Untersuchung von 101 Seehundkadavern auf der Insel Sylt ein „multifaktorielles Krankheitsgeschehen“ für das Robbensterben verantwortlich gemacht. Wie die Hochschule am Dienstag mitteilte, ist angesicht der Vielfalt der bisher nachgewiesenen Erreger eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Es müsse eine toxikologische Untersuchung abgewartet werden, die Aufschluß über die Mitwirkung der Schadstoffbelastung am Seehundsterben geben soll.

Wolfgang Gast