Neue Eskalation in El Salvador

Anti-Aufruhr-Einheiten lösen gewaltsam Studentendemonstrationen in San Salvador und Santa Ana auf / 350 Demonstranten in San Salvador festgenommen / Ein Polizist getötet / FMLN-Angriff auf eine der wichtigsten Basen der Armee, den Stützpunkt El Paraiso  ■  Von Ralf Leonhard

Managua (taz) - In El Salvador sind am Dienstag die gewaltsamen Auseinandersetzungen eskaliert. In der Hauptstadt San Salvador und in Santa Ana lösten die Sicherheitskräfte Demonstrationen von Studenten auf. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, als die Polizei Tränengas einsetzte und in die Menge schoß. Ein Polizist wurde getötet und 350 Demonstranten in San Salvador festgenommen.

Die Nationale Befeiungsfront Farabundo Marti (FMLN) hatte in der Nacht zu Dienstag eine der wichtigsten Basen der Armee, den Militärstützpunkt El Paraiso in der Provinz Chalatenango, angegriffen. In einem Kommunique des FMLN -Generalkommandos heißt es, die Einrichtungen der 4.Infanteriebrigade in El Paraiso seien total zerstört worden und die Armee habe an die 400 Mann durch Tod oder Verwundung verloren. Noch am Nachmittag umkreisten Armeehelikopter die Umgebung, während die Straße durch die ankommende Verstärkung blockiert war. Die Streitkräfte geben bisher neun Tote zu, darunter zwei Offiziere, und melden den Tod von mindestens sieben Guerilleros.

Zu den Demonstrationen in San Salvador und Santa Ana hatte die Nationale Universität aufgerufen, um eine Erhöhung des Budgets und die Freilassung eines am Dienstag morgen festgenommenen Studenten zu fordern. Rund 5.000 Demonstranten, die etwa um zehn Uhr vormittags das Universitätsgelände in San Salvador verließen, wollten eigentlich zuerst zur US-Botschaft marschieren. Doch die Straßen zu dem festungsgleichen Gebäude waren mit NATO-Draht abgeriegelt. So entschloß man sich, direkt zum Finanzministerium zu ziehen. Elf Einheiten der Anti-Aufruhr -Polizei in Panzerwagen folgten auf dem Fuße. Vor dem Ministerium hatten weitere Sicherheitskräfte Aufstellung bezogen. „Es sah nach einer geplanten Operation aus, als die Truppen von hinten angriffen“, berichtet eine Zeugin. Mit Tränengas, Wasserwerfern und Warnschüssen wurde die Menge auseinandergetrieben. Offenbar waren aber nicht alle Schüsse in die Luft gerichtet. Mindestens fünf Personen wurden durch Schüsse verletzt. Meldungen über tote Demonstranten konnten noch nicht bestätigt werden. Die Polizei erklärte ihr Eingreifen mit dem Tod des Fahrers eines Wasserwerfers, der angeblich von Studenten erschossen wurde.

In ihrer Panik flüchteten die Demonstranten in umliegende

Gebäude, die anschließend von den Truppen gefilzt wurden.

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suchten im Lokal des Arbeiterdachverbandes UNTS Zuflucht, darunter zwei deutsche Internationalisten, die von der Polizei verfolgt wurden. Die Uniformierten umstellten das Gebäude und forderten die Flüchtigen auf, ihre Kameras und Waffen herauszugeben. Diese hatten aber keines von beiden aufzuweisen. Herbeieilenden Journalisten wurden Filme und Videobänder beschlagnahmt. Laut Augenzeugenberichten schlug ein Polizist einem Reporter ins Gesicht. Eine Delegation aus den USA, die gerade der UNTS einen Besuch abstattete, entging nur knapp der Verhaftung.

In Santa Ana, der zweitgrößten Stadt des Landes feuerten Nationalpolizei und Armee in eine ähnliche Studentendemonstration. Angeblich erlagen dort zwei Menschen ihren Schußwunden. Bestätigt wurden ein Verletzter und zehn Festgenommene.