Volle Deckung

Seoul müht sich, „der sicherste Platz der Welt“ zu sein  ■  PRESS-SCHLAG

Als die Französin Dominique Paul Marie auf Seouls Flughafen Kimpo ankam, erlebte sie eine böse Überraschung. Unter dem Vorwurf, sie habe Kontakte zur Gruppe „Schwarzer September“, der der Anschlag auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München angelastet wird, wurde sie erst einmal verhaftet. Die Versicherung der 40jährigen Frau, sie sei als Reporterin einer französischen Monatszeitschrift hier, nutzte nichts; sie wurde umgehend abgeschoben. Anderntags erzählte der Sprecher der Seouler Polizei lapidar, man habe für die Anschuldigung zwar keine Beweise, hätte aber auch kein Risiko eingehen wollen.

Doch auch jenen Besuchern, denen auf dem Flughafen nicht gleich Handschellen angelegt werden, wird seit einigen Wochen kein besonders freundlicher Empfang breitet: eine Sicherheitstür nach der anderen; in der Halle im Gleichschritt patroullierende Soldaten mit Gewehren; Sicherheitsbeamte überall. Auf Waffen behaupten die Sicherheitskräfte eisern ihr Monopol. Als am Dienstag die mongolischen Bogenschützen landeten, wurden ihnen trotz wütender Proteste die Sportpfeile abgenommen - das sei „gefährliches Material“.

Ob große Hotels, öffentliche Gebäude oder Pressezentren, hinter jeder Tür wartet eine Schleuse, die auf metallene Gegenstände reagiert. Vorfahrende Autos müssen Kofferraum und Motorhaube öffnen und werden von unten mit Spiegeln abgesucht. Auf den Straßen sind Wasserhydranten, Lampen und Kästen mit elektischen Leitungen, selbst Straßengullys mit blauen Streifen verplombt, die von den Revierpolizisten regelmäßig kontrolliert werden. Und durch die olympischen Einrichtungen gehen Beamte mit Schnüffelhunden, die auf das Finden von Sprengstoff gedrillt sind; Papierkörbe und Abflußrohre werden mit speziellen Detektoren untersucht.Insgesamt werden während der Olympischen Spiele 100.000 Beamte der Nationalpolizei auf den Beinen sein, nicht mitgerechnet die ungefähr 30.000 zivilen Geheimdienstler, die über Seoul verteilt an fast jeder Straßenecke herumlümmeln. Für Hwang Kyu Woong, den Sicherheitschef des Oragnisationskomitees , ist Seoul folglich „der zur Zeit sicherste Platz der Welt“. Herr Hwang hat sich „durch viele Jahre im diplomatischen Corps“ für seinen jetzigen Job qualifiziert; unter anderem tat er Dienst während der Münchner Spiele in der Bundesrepublik. Aus anderer Quelle ist zu hören, Herr Hwang sei Mitglied des Geheimsdienstes gewesen, was ungefähr auf das selbe herauskommt. Gerade während des Park-Regimes wurden oppositionelle Studenten in der BRD durch den südkoreanischen Geheimdienst massiv verfolgt.

Auch die heutige Regierung Roh begnügt sich nicht allein mit polizeilicher Präsenz. Für die Berge, die zur nordkoreanischen Grenze hin liegen, wurde eine nächtliche Ausgangssperre verordnet, und 437 von 475 Seouler Stadtbezirken erklärte man - mit Zustimmung der parlamentarischen Opposition - zu sogenannten „Peace-Zones“: Kundgebungen und Demonstrationen sind hier einen Monat lang verboten. Menschenrechtsgruppen beklagen denn auch mit dem Näherrücken der Olympiade zunehmende Verhaftungen; genaue Zahlen jedoch können sie nicht nennen. Es handle sich um „vielleicht zwei bis drei Personen“ pro Tag, sagt ein Mitglied des „Human Rights Comitee“. Andere Quellen sprechen von 100.000 vorläufigen Festnahmen in der Ära Roh. Für die Sicherheit der „Olympischen Familie“ (ein offizieller Begriff) tun die Koreaner alles. Der amerikanische Flugzeugträger „Midway“ verläßt den Hafen Yokosuka bei Tokyo in Richtung südkoreanischer Gewässer, und am Samstag stieg auf dem Flughafen Kimpo erstmals der Zeppelin „Skyship 600“ gen Himmel. Das sechzig Meter lange Luftschiff wurde vom „Korea National Police Headquarter“ für die Zeit der Spiele angemietet und wird, ausgerüstet mit technischem Gerät für 1,8 Millionen Mark, beschaulich über allem schweben, um alles zu überschauen.

-thöm