Bremer Almosen für die Dritte Welt

■ Tue Gutes und rede darüber: Zambia, Indien, Westsahara und Nicaragua sind Empfänger offizieller Soli-Knete aus dem Wirtschaftsressort / „Bremen kann sich sehen lassen“ / Grüne: „Klassische Doppelmoral der SPD“

Ein Bierchen zum Feierabend kostet nicht die Welt. Der Preis für den Durstlöscher ist aber immer noch höher als der Betrag, den sich Bremen pro EinwohnerIn die Solidarität mit der Dritten Welt kosten läßt: 1 (eine!) Mark pro Jahr und BremerIn macht Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer für die Dritte Welt locker.

„Unsere eigenen Schwierigkeiten mit den Finanzen verblassen vor den Problemen der Dritten Welt“, gab sich der Senator nachdenklich. 650.000 DM wird Bremen im Jahre 1988 insgesamt für die Entwicklungszusam

menarbeit ausgeben. Für sieben Einzelprojekte mit einem Volumen von 230.000 DM hatte die Wirtschafts-Deputation am Vortag grünes Licht gegeben. Biogas für Pune

75.000 DM wird das Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit dem Partner UNDARP (United Socio-Economic Development and Research Program Ltd.) in der indischen Schwesterstadt Pune zur Verfügung stellen. Bereits seit zehn Jahren fließen Bremer Entwicklungsgelder nach Pune. Diesmal sollen die „Slumverbesserungs

maßnahmen“ (Beckmeyer) Ausbildungsprojekten zugute kommen. Die Biogas-Ökologie steht dabei auf dem Lehrplan ganz obenan. Prekär ist nämlich der Energiemangel: Die BewohnerInnen der Slums machen Bäume zu Feuerholz und heizen mit Kuhdung. Der Boden erodiert, notwendiger Dünger fehlt. Gunther Hilliges, Leiter des Landesamtes für Entwicklungszusammenarbeit: „Die Armen sind gezwungen, ihre eigene Umwelt zu zerstören.“

Als richtungweisendes Projekt einer „Süd-Süd-Kooperation“ sieht Peter Diemer vom Landesamt

einen von Bremen geförderten Technologietransfer von Indien in die VR China: Ein Kleinbetrieb in Neu Delhi hat ein preisgünstiges Gerät für die Bewässerung, den „hydraulischen Widder“, ertüftelt. Der „Widder“ hat sich in indischen Gebirgen bewährt und soll nun auch im Land der Mitte gute Dienste tun. Die „Bremer Arbeitsgemeinschaft für Überseeforschung und Entwicklung“ (BORDA) macht den Mittler zwischen den skeptischen Nachbarn in dem Süd-Süd -Deal. 22.500 DM stehen dafür im Etat.

Zusammen mit der Kinderhilf

sorganisation „terre des hommes“ wird Bremen Sachmittel für 156 SchülerInnen in Lusaka zur Verfügung stellen. Die Kids sind aus Südafrika geflohen und setzen an sambischen Schulen ihre Ausbildung fort. Schulsachen für

Südafrikas Flüchtlinge

Lehrbücher und Schuluniformen sind zu beschaffen, Schulgeld und Bustransporte müssen bezahlt werden. Bremen entlastet auf diese Weise den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) mit 50.000 DM. Gegen dieses Projekt haben FDP und CDU in der Deputation opponiert.

Nach einer verheerenden Heuschreckenplage in den Lagern der Westsahara-Flüchtlinge in Südalgerien droht Hunger. Mit einem Extrabetrag von 50.000 DM können die Flüchtlinge nun Sämereien, Düngemittel und Geräte kaufen, um die Nahrungsmittelproduktion in den Lagern wieder in Gang zu bringen. Weitere Bremer Entwicklungs-Gelder fließen zum Bau einer Werft an den Rio San Juan nach Nicaragua (45.000 DM) und in ein Berufsausbildungsprojekt in Zambia (25.000 DM).

Wieviel Geld im Empfängerland direkt in Projekte fließt und

wieviel für Geschäftskosten und Reisespesen der Dritte-Welt -Entwickler draufgeht, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Relativ hoch ist der Anteil der Verwaltungskosten naturgemäß dort, wo neue Connections geknüpft werden, niedrig bei den Sachmittel-Hilfen. „Doppelmoral der SPD“

Die Bremer Grünen haben den sieben Entwicklungsvorhaben in der Wirtschaftsdeputation zugestimmt. Die Projekte seien so Deputationsmitglied Ralf Fücks - „vernünftig“ und stünden nicht im Verdacht, „indirekte Exportförderung“ zu betreiben. Der Zwergetat freilich, den Bremen für die Entwicklungszusammenarbeit hinblättert, sei „nur ein Bruchteil der Gewinne, die die Bremer Wirtschaft aus der Ausbeutung der Dritten Welt“ zieht. „Klassische Doppelmoral“ attestiert Fücks der Regierungspartei.

Das sieht Senator Beckmeyer freilich anders: An der „modellhaften Bremer Entwicklungshilfe“ hätten die Genossen in Schleswig-Holstein Interesse gezeigt. Selbstzufriedener Kommentar aus dem Wirtschaftsressort: „Bremen kann sich sehen lassen“.

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