Nur daß es gebrannt hat, ist sicher

■ Die Beweisaufnahme im Prozeß gegen Kind wegen Anstiftung zur Brandstiftung brachte viele Details, aber keine Aufklärung

Die Brandnacht liegt noch immer im dunkeln. Nach vierzehn Verhandlungstagen im Prozeß gegen Wolfgang Kind und Werner Hildebrand wurde in dieser Woche die Beweisaufnahme beendet. Der 46jährige Steuerberater Kind und der 43jährige Hildebrandt sind der Anstiftung zur Brandstiftung beschuldigt. In ihrem Auftrag soll der Bewohner eines Pensionszimmers in der vierten Etage des Eckhauses Lietzenburger/Pfalzburger Str. sein Zimmer angezündet haben. Die Pension und der Dachstuhl des Hauses, das dem Steuerberater gehört, brannten völlig aus. Johannes Pöhlmann, der Bewohner des Pensionszimmers, kam bei dem Feuer ums Leben. Kind kassierte von der Feuerversicherung 1,7Millionen Mark.

Der Ablauf des Brandes gab der Fünften Großen Strafkammer zunächst Rätsel auf. Das Tempo des Dachstuhlbrandes hatte damals einige Feuerwehrleute überrascht. Einer gab der Kripo zu Protokoll, bei den Löscharbeiten sei ihm ein großes, regelmäßig konturiertes Loch in der Zimmerdecke aufgefallen. Dadurch hätten die Flammen leicht den Dachstuhl erfassen können. Von dem Brandstiftungsindiz blieb im Verfahren wenig: An das Loch in der Zimmerdecke erinnerte sich keiner der übrigen Brandbekämpfer. Auch Feuerspezialist und Leitender Brandschutzdirektor Schubert, der nach dem Brand das Haus inspizierte, enttäuschte den Staatsanwalt. Mit vielen Statistiken versehen gestand er, im Loch in der Decke „nichts Besonderes“, nur einen simplen „Durchbrand“ erkannt zu haben, wie er bei Zimmerbränden häufig entsteht.

Die Kripo dachte erst nicht an „Brandstiftung“. Der in der Sache ermittelnde Beamte sagte der Kammer, ihm seien „keine Anhaltspunkte für einen warmen Abriß“ aufgefallen. Dabei hatte ihm, wie das Gericht aus den Akten wußte, ein Kollege aus dem Rauschgift-Referat von einer „Quelle“ aus der Szene berichtet, derzufolge Kind und Hildebrandt das Feuer legen ließen. Mit diesem Hinweis habe er, sagte der erste Kripomann der Kammer, nichts anfangen können. Die Kammer wollte von dem Kollegen aus der Rauschgiftabteilung Näheres über die Zuverlässigkeit der „Quelle“ erfahren. Sie biß auf Granit: Seiner „Quelle“ hatte der Ermittler mit der Boxernase „Vertraulichkeit“ zugesichert. Dabei blieb er mit dem Hinweis auf seine beschränkte Aussagegenehmigung als Polizist.

Der 42jährige Kriopomann N. schließlich, Angehöriger der Soko Lietze, mußte der Kammer, blasser werdend, gestehen, der in die Akten geratene Hinweis auf „Brandbeschleuniger“, mit dem die Kripo den rasanten Abbrand des Dachstuhls erklären wollte, sei „auf unseren Mist“ gewachsen.

Die Sachverständigen hatten da viel zu sortieren. Pathologe Schneider fand bei der Sektion des potentiellen Feuerlegers zwar gut zwei Prozent Alkohol, aber nichts, was auf einen längeren Aufenthalt im brennenden Zimmer und damit auf einen Schwelbrand schließen ließ. Der Feuersachverständige Paulich folgerte, ein „lokal begrenzter Brand“, vielleicht von Pfeifen- oder Zigarettenglut verursacht, habe sich zum Feuer ausgeweitet. Die Zimmereinrichtung sei für das Durchbrennen des Feuers in den Dachboden, für das ominöse Loch, „ausreichend“ gewesen. Die Schlußfolgerungen seiner Kollegen waren karger: Chemiker Schlieper von der Bundesanstalt für Materialprüfung wollte sich zu einem Expertenurteil nicht hinreißen lassen: „Da hätte man dabeisein müssen.“

Niemand war dabei, als Werner Hildebrandt seinem Bekannten Reiner Brühl bei einem Ausflug ins Berliner Nachtleben erzählte, „die Jungs“ hätten den Brand in der Lietze besorgt. „Unter vier Augen“, so enthüllte Brühl der Kammer, habe Hildebrandt zugegeben, der Brand sei „manipuliert“ worden. Er habe Hildebrandt gefragt, ob er das für Kind veranlaßt habe, und „das hat er mir mit Kopfnicken und einem kurzen Ja bestätigt“. Doch um Brühls Glaubwürdigkeit ist es schlecht bestellt, seit er zusammen mit Hildebrandt die Anklagebank drücken mußte - eines Deliktes wegen, bei dem Brühl als einziger relativ ungeschoren davongekommen war: Mit einer Waffe, die Brühl von Hildebrandt gekauft hatte, war bei einem Tankstellenüberfall in der Nähe von Brühls Wohnort Stuttgart eine Frau erschossen worden. Obwohl die drei Täter, inzwischen zu Lebenslänglich verurteilt, Brühl der Anstiftung beschuldigten, mußte er sich nur für das Besorgen der Waffe verantworten. Doch seine Aussage stellte für den Staatsanwalt die Verbindung zu Wolfgang Antes her. Als einer von dessen Handelspartnern war Kind in den Ermittlungen zum Berliner Sumpf bereits aufgefallen. Wie Hildebrandt wurde Brühl wegen des Waffenhandels zu vier Jahren Knast verurteilt. Anders als Hildebrandt, der noch sitzt, wurde Brühl nach zwei Jahren Haft entlassen. Weil er so redselig war?

Am Montag wird plädiert.

Werner van Bebber