piwik no script img

„Genehmigungen sind illegal erteilt“

Michael Sailer vom Darmstädter Öko-Institut zur Sicherheitstechnik des AKWs Neckarwestheim  ■ I N T E R V I E W

taz: Am Donnerstag wurde mit dem Gutachten des Stuttgarter Geologen Dr. Behmel bekannt, daß sich das Maschinenhaus des zweiten AKW-Blocks in Neckarwestheim auf zwei sich gegeneinander bewegenden Erdplatten steht. Welche sicherheitstechnischen Folgen kann das haben?

Michael Sailer: Das Maschinenhaus an sich hat keine große sicherheitstechnische Relevanz. Man müßte aber untersuchen, welche anderen Gebäude, z.B. das Reaktorgebäude im Bereich der Erdspalte liegen. Sicherlich liegt das Notstandgebäude für die beiden AKW-Blöcke in diesem Bereich. Außerdem sind die einzelnen Gebäude mit Kabel- und anderen Kanälen verbunden.

Sind denn die Reaktor- oder Notstandgebäude nicht in sich so stabil, daß sie eine geringfügige Verschiebung oder Absenkung aushalten würden.

Nein, einen Berghang jedenfalls kann man sie nicht hinunterrollen. Außerdem besteht die Gefahr, daß die Gebäude in eine Schräglage kommen. Der Dampferzeuger ist an Pendelstützen aufgehängt, bei einer leichten Schräglage würden sehr starke Kräfte auf die Aufhängung wirken. Vielleicht nicht im Normalbetrieb, aber bei einem Störfall würden dort Rohrleitungen abreißen. Durch jede noch so geringfügige Erdbewegung müßte dann eigentlich immer die Belastbarkeit neu berechnet werden.

Das AKW liegt in einem Erdbebengebiet, und soll auch entsprechend ausgelegt sein. Trägt das nicht zur Stabilität bei?

Nehmen wir an, wir schlagen mit einem Hammer an eine Rohrleitung - der Hammer symbolisiert dabei ein Erdbeben, dann mag die Leitung das noch aushalten. Wenn aber auch noch jemand an der Leitung zerrt, geht sie eben viel leichter kaputt. Die Frage in Neckarwestheim ist, ob das AKW überhaupt noch für Erdbeben ausreichend ausgelegt ist. Ein Erdbeben kommt ja plötzlich, und da ist nicht gesagt ob es nicht Verschiebungen der Erdplatten von zehn oder mehr Zentimetern gibt.

Wo müßte jetzt juristisch angesetzt werden, um eine Inbetriebnahme zu verhindern?

Erstens ist der Sicherheitsstandart falsch bewertet. Alle bisherigen sicherheitstechnischen Normen stimmen nicht mehr. Die erste Teilerrichtungsgenehmigung muß widerrufen werden. Das vorläufige positive Gesamturteil - wie im Wyhl-Urteil gefordert - trifft nicht zu, die Teilerrichtungsgenehmigung ist also zu versagen. Nun ist das „Behmel-Gutachten“ aber schon seit mindestens sechs Jahren bekannt, bisherige Genehmigungen sind also durch die zuständigen Behörden illegal erteilt worden.

Interview: Dietrich Willier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen