: „Fickt Warner Brothers!“
■ Howard Hawks: Land der Pharaonen, ARD, 20.15 Uhr
Noel Howard über die Vorbereitungen und Dreharbeiten zu Land der Pharaonen: „Eigentlich glaubte ich nicht so richtig daran, daß der Film wirklich zustande käme. Und doch war es vollkommen logisch: Nur wenige Pyramidenquader von Eden Roc entfernt lag Jack Warners Villa im Mausoleumstil. Hawks besuchte ihn dort. Ich sollte ihn eine Stunde später abholen. Als ich ankam, stand Hawks am Pool, in der Hand einen Dry Martini. Jack Warner, gebräunt wie ein Pharao, ließ sich an der Oberfläche des türkisfarbenen Pools treiben.
'Ich werde die Jungs in Hollywood anrufen, damit sie schon mal die Verträge vorbereiten. Ich liebe die Idee. Tschüß, Howard. Du findest doch selbst zur Tür?‘
Während der Proben ergab sich ein neues Problem. Der Mann, der ausersehen war, den Sing-Sang für die Arbeiterheere anzustimmen, besaß zwar einen ausgezeichneten Sinn für Rhythmus, aber nur einen äußerst beschränkten Einfallsreichtum, was die Texte anging. Wieder und wieder stimmte er ein und denselben Vers an. Die Männer, die in Seilschaften die riesigen Steinquader schleppen mußten, verloren schnell das Interesse. Daß die Peitschen, mit denen die Wächter sie antrieben, völlig harmlose Requisiten waren, hatten sie bereits erkannt. Stagnation drohte.
Ich kniete mich neben 'Sinatra‘ (wie unsere Crew den Vorsänger nannte) und erfand für ihn meine eigenen Verse:
'Trocknet den Schweiß!‘
'Trocknet den Schweiß!‘, kam es von tausend Männerstimmen zurück.
'Schiebt den Schlitten!‘
'Hebt das Heu!‘
'Kippt den Drink!‘
Das mag sich einfach anhören, aber auch mir gingen bald die Texte aus. Ich rief, was mir gerade in den Kopf kam. Wichtig war nur, nicht den Rhythmus abreißen zu lassen.
'Gassi mit dem Hund!‘
'Raucht eure Camels!‘
Es funktionierte. 'Sinatra‘, den es vielleicht ärgerte, daß ich das Kommando übernommen hatte, deutete mit einer Handbewegung an, daß er jetzt wieder das Mikrofon haben wollte. Den phonetischen Klang einer meiner 'Erfindungen‘ hatte er sich gemerkt. Als Howard Hawks die Szenerie betrat, klang gerade einstimmig aus tausend Männerkehlen ein Vers, an dem der gute alte Troubadour besonderen Gefallen gefunden hatte:
'Fickt Warner Brothers!‘
Hawks verzog keine Miene. Ihm schien es zu gefallen, wie die Dinge vorangingen. Er wechselte mit einigen Teammitgliedern ein paar Worte und stieg wieder in seinen Jeep.
Sein Fahrer erzählte mir später, wie Hawks im Jeep zurückgefahren war: Mit halbgeschlossenen Augen und einem sphinxgleichen Lächeln auf dem staubbedeckten Gesicht saß er zurückgelehnt im Wagen und wiederholte wieder und wieder mit leiser Stimme: 'Fickt Warner Brothers!'“
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