ZWISCHEN DEN RILLEN

■ Savage Republic und Rare Air: Ein schwacher Abglanz von Hipness

Hipness

Was sie wollten, was sie wurden: Savage Republic gehören zu den Bands, die Anfang der 80er großmäulig genug waren, simples Eindreschen auf Schrott und Stahl konzeptuell zu überhöhen. Wo aber andere sich damit begnügten, die Schallmauer zu ihrem Verständnis von Avantgarde durch Industrie- und Psychiatriebezüge oder einfaches Erzeugen von Kopfschmerz zu durchbrechen, mußte es bei Savage Republic gleich die Imagination eines ganzen Staates sein. „Kill the Fascists“, dröhnten sie auf ihrer ersten LP. Und weil sie fast alle in Kalifornien an der Kunsthochschule rumhingen, entwarfen sie schon mal Embleme, Briefmarken und ähnliches als Folklore für die freie Republik.

Der Rest ist Abblättern der selbstaustapezierten Vision, und der Reiz, heute noch Savage Republic zu hören, besteht darin, diesen Verfallsprozeß auch in der an sich vollkommen uninteressanten Musik zu verfolgen. Während im Hintergrund immer noch das Blech scheppert, bricht auf der neuen LP „Jamahiriya“ endgültig die kalifornische Sonne durch den Industrial-Smog-Apokalypse-Himmel. Alles war gar nicht so ernst gemeint, haha, eher ein Zen-Witz, und doch wird unablässig weiterentworfen und weitergebastelt. Zu gerne würde die Kiffergitarre sich nach hinten wegdudeln, aber die mittlerweile gefestigten Songstrukturen halten sie bei der Stange. Abgehauen wird nicht im Staate Ästhetica. Karawanenhaft zieht das Kreise, monoton und selbstvergessen, vom atmosphärischen Design her ein weiterer dieser amerikanischen Versuche, mit der Mumie Rimbauds Blutsbrüderschaft zu schließen.

Savage Republic haben sich zwischen Hippie-Mystizismus („Spice Fields“) und Restradikalismus („Tabula Rasa“, „Lebanon 2000“) verirrt, eine Oase ist nicht in Sicht. Wer aber seinen Spaß an wirrem Ideen-Patchwork über öden Sounds haben kann, sollte sich „Jamahiriyad“ unbedingt zulegen.

Genau umgekehrt ist die Geschichte von Rare Air. Statt mit großem Getöse auf irgendeinen Zug aufzuspringen, muß die Band über Jahre hinweg vom festen Glauben gezehrt haben, man müsse nur lange genug am selben Fleck bleiben, irgendwann käme der ZUG DER ZEIT schon wieder an einem vorbeigerumpelt. Ende der 70er aus der Musikhochschule von Toronto heraus gegründet, arbeiteten die drei Ur-Mitglieder Jahr um Jahr daran, ihren Ethno-Ansatz aus seinen akademischen Beschränkungen zu befreien. Fleißig entstaubten und perfektionierten sie ihr schottisches Dudelsackspiel, ihre Fertigkeiten an der keltischen Flöte. Sie schmolzen traditionelles Liedgut zu eigenen kleinen Songs um, die sie erneut abschliffen, verfeinerten, mit komplizierten Polyrhythmen unterlegten. Der Einbau eines Funkbasses muß Herzblut gekostet haben, aber schließlich wollte man doch ein kleines bißchen modern sein. Unendlich sacht, diese Annäherung an außermusikalische Realitäten; man widmete ein Stück Marvin Gaye, nannte ein anderes verwegen „Taxi Suite“, ohne jemals die innere Durcharbeitung und das komplexe Gleichgewicht der Arrangements zu vernachlässigen, ohne im geringsten das Musiker-Musik-Konzept zugunsten schnöder Mode -Ideologien aufzugeben. Und tatsächlich, zehn Jahre später schauen sie wie zufällig zum Fenster raus, und wer steht da? der ZUG DER ZEIT! Sogar ein schwacher Abglanz von Hipness fällt auf diese vier Keltenfreaks, von dem man wirklich nicht weiß, ob er der Lohn eines langen Atems oder besonders großer Verpenntheit ist.

Selbsternannte Avantgarde von gestern und ewige Nachzügler sagen sich in der Gegenwart gute Nacht. Beide Platten habe ich im Laden unter Ethno-Pop/World Music gleich nebeneinander stehen sehen. Ein weiterer Grund, über World Musik nachzudenken, oder?

Thomas Groß

Savage Republic: Jamahiriya, Fundamental;

Rare Air: Hard to Beat, Entente