„Nicaragua macht IWF-Politik“

■ Mittelamerika-Aktivist sieht kaum einen Unterschied zwischen der Wirtschaftsreform vom Juli und dem Auflagen-Katalog aus Washington / Kritik an den Hilfsprojekten der Soli-Szene

Roger Peltzer, Mitglied der „Christlichen Initiative Romero“ und seit langem in der Mittelamerika-Solidarität aktiv, hat auf einer Veranstaltung in Berlin kritisiert, daß die Hilfsprojekte der Nicaragua-Solidaritätsbewegung vor allem dem Sozialbereich gelten. „Länder, die nur ein Zehntel unseres Pro-Kopf-Einkommens haben, können nicht so flächendeckend mit Kindertagesstätten abgedeckt werden wie bei uns“, sagte Peltzer. Wenn Projekte im Sozial- oder Infrastruktur-Bereich gefördert werden, müsse unbedingt darauf geachtet werden, daß dadurch keine Devisen verbraucht werden und dem Staat keine nachfolgenden Lohnkosten entstehen - es sei „Harakiri“, wenn die nicaraguanische Regierung den öffentlichen Dienst ausweite, anstatt ihn zusammenzustreichen. Statt dessen sollen sich die Hilfsprojekte auf den Produktionssektor konzentrieren.

Ohnehin werde der Sozialbereich nach den jüngsten Wirtschaftsreformen in Nicaragua nur noch mit Hängen und Würgen aufrechterhalten. Von Privatisierungen abgesehen, sei das Maßnahmenpaket vom Juli „vollends auf IWF-Linie“ und verzichte vollständig auf soziale Abfederungen. Sowohl in der Zielsetzung als auch in der Wahl der Maßnahmen gebe es keinen Unterschied zu den IWF-Auflagen: Die Löhne und nahezu alle Preise sind freigegeben worden, die Staatsbeschäftigten werden von einem scharfen Kaufkraftverlust getroffen, die Zinsen wurden drastisch erhöht, und die Währung wird laufend abgewertet. Mit dem Streichen von Subventionen sollen wettbewerbsfähige Preise hergestellt werden, der Export soll ausgedehnt und dazu die Agrarproduktion gesteigert werden.

Peltzer: „Konservativer als der IWF ist die sandinistische Regierung sicher nicht, aber sie treibt eine ähnliche Politik.“ Er mochte nicht ausschließen, daß Nicaragua deswegen bald wieder Weltbank-Kredite erhält. „Aber in Nicaragua gibt es keine korrupte Elite“ - so bestehe die Hoffnung, daß die Früchte der Anpassung allen zugute kämen.

diba