Friedenstauben vom Grill

Oa'zapft is‘: Monumentalfilmreife Eröffnungsfeier der 24.Olympischen Sommerspiele in Südkorea / Das Gute und das Böse: Monster, Drachen, reinherzige Kinder und ein alter Geheimdienstgeneral  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Bilder wie aus einem Film von Bertolucci. Tausende von Komparsen in bunten Kostümen, die wild und doch so wohlgeordnet durcheinanderlaufen. Dazu eine Prise Ben Hur, eine Messerspitze Marco Polo. Pompöse Musik, Riesentrommeln werden ins Stadion gerollt, Leibermassen formen Schnecken und Buchstaben: „Welcome“. Eintausend Taekwondo-Kämpfer zeigen völlig synchron ihre etwas antiquierte Art der Holzverarbeitung. Faszinierende Szenen für Freunde des Monumentalkinos.

Und vor allem Symbolik sehen wir, viel Symbolik: Kraft und Harmonie bringen das Ende der Finsternis; ein Tanz verbindet Himmel und Erde mit dem Menschen. Gewaltige Brücken werden geschlagen vom Gestern zum Morgen. Hunderte von Frauen ganz in weiß demonstrieren Unschuld, daß es eine Pracht ist. alles verläuft in Kreisen, Bogen, Kurven, alles fließt und ist rund. Siebzigtausend farbige Tafeln, von den Zuschauern in die Höhe gehalten, schreiben das Motto der Seouler Spiele auf die Ränge: Harmonie und Fortschritt. Seid brav, und alles wird gut.

Düsenjäger zirkeln die fünf Ringe in den Himmel, legen ein farbiges Band über uns, ganz ohne Ramsteiner Salto. Wieder rollen neue Massen aufs Feld. Die Übersetzerin sagt in meinem Ohr, sie zeigten, wie die Starrheit überwunden wird.

Siebzigtausend Menschen haben siebzigtausend daumengroße Transistorradios umhängen, acht Sprachen können sie wählen. High-Tech und Folklore, Zukunft und Vergangenheit.

Nächstes Bild: Frieden immerdar. Ballons in Blau und Weiß steigen auf, die Gefühle fahren himmelwärts. 2.400 Tauben fliegen, weiß, unschuldig, friedlich. Einige werden von den auflodernden Flammen des soeben entzündeten olympischen Feuers gefressen - Vergänglichkeit des Lebens (Präsident Roh Tae-Woo, der die Olympiade eröffnete, hat ja als alter General des Geheimdienstes noch Routine mit der Order: Feuer frei).

Das Böse tritt ein und verjagt „die freundschaftliche Atmosphäre, in der ideologische und politische Schranken überwunden werden“ (Park Seh-Jik, Chef des Organisationskomitees). Einhundertsechzig teuflisch grinsende Masken huschen umher, auf dem Dach erheben sich zehn Meter hohe Monstren zum Aufblasen und schielen zu uns herunter. Doch der Schrecken hält sich nur kurz in Seoul, 1.200 Kinder reinen Herzens fegen herein, hüpfen und springen mit Reifen und Seilen, wischen das Böse hinfort.

Und während einige Kilometer entfernt 700 Demonstranten auf dem Gelände der Korea-Universität eine mit dem amerikanischen Flaggenemblem und den olympischen Ringen bemalte Puppe verbrennen, will ein Gedanke nicht weichen. Vor zwei Jahren besuchte Erich Honecker in Nordkorea Kim Il -Sung; als Höhepunkt saßen die beiden im Stadion von Pjöngjang, Hand in Hand bestaunten sie, wie Zehntausende nur für zwei alte Männer Figuren schüttelnder Hände und gereckter Fäuste zauberten. Den Opas aus der Muppet-Show gleich kicherten sie albern und hielten sich verschämt die Hand vor den Mund, freuten sich so unendlich, zwei Stunden lang.

Hoffentlich konnten sich die beiden Alten das olympische Symbolespektakel wenigstens im Fernsehen anschauen. Weil, gell, schön war's schon, wie die großen Drachen miteinander gekämpft haben.