Ich war eine Gesellschaftsdame

■ Ein Tatsachenbericht über eine denkwürdige Reise durch die Zeitschleuse: Das Moks-Theater premierte am Freitagabend mit „Aus Deutschland“ a la Brecht

Wie Herr Mammen, mein geschätzter Kollege vom Weser-Kurier so trefflich bemerkte (19.9.), ließ ich mich tatsächlich dazu herab, mich zu beteiligen. Den Schulbesuch, bei dem ich mich in eben diesem Theater, zu eben diesem Thema, plötzlich in der Uniform einer Standartenführerin wiedergefunden hatte, diesen Besuch noch deutlich vor Augen, hatte ich mir geschworen, mich dieses Mal nicht auf das Spielchen einzulassen. Aus der Devensive heraus, wollte ich distanziert beobachten. Aber es kam ganz anders.

Das Moks-Theater, das nun schon einige Jahre dieses „Rollenspiel-Theater“ inszeniert, gab sich und dem zahlreich erschienenen Publikum am Sonnabend mit „Aus Deutschland“ die Ehre. Schmucke SA-Männer und Frauen luden dröhnend zur 30er

Jahre Modenschau, und ehe man sich versah, war man zum Teil dieser befremdlichen, aber doch reizvollen Gesellschaft geworden. Auf kleinen Pappschildchen waren Profession, Alter und das Jahr der jeweiligen darzustellenden Rolle verzeichnet. Ziemlich irritiertes Lachen erzeugte dann die erste „Mit-mach-Nummer“. „Das hier ist die deutsche Frau, der deutsche Mann, die deutsche Matratze“. Der deutsche Stand, die deutsche Rolle, die deutsche Verteidigung wurden geübt, durchsetzt mit Bemerkungen aus nazionalsozialistischem Gedankengut. Wir waren allesamt mittendrin in den deutschen 30er Jahren, ohne so recht zu wissen, wie es geschah. Faschismus zum Anfassen.

Der Postbote, die Lehrerin, sie alle durften hautnah erleben, was Bespitzelung, der Tod eines An

gehörigen in einem sinnlosen Krieg zu bedeuten hatte. Der Besucher irrt in bewußt erzeugter Orientierungslosigkeit von Schauplatz zu Schauplatz. Eine einzige manipulierte Herde. Es war ein eindrucksvlles Erlebnis, auch für die, die meinen, mit dem Naziolnalsozialismus schon mehr als genug konfrontiert worden zu sein, wenngleich dieses Schulmeisterliche, dieser penetrante moralische Zeigefinger, den diese Polit-Pädagogik so zwingend mit sich trägt, auf Dauer auf die Nerven geht. Menschen in Situationen zu manövrieren, in denen sie sich vor anderen profilieren müssen, ist eine wirkungsfolle Methode, durch Miterleben zu Erkenntnissen zu verhelfen. Aber weiter, rechtfertigt die Sichtbarmachung von Machtausübung allein schon Machtausübung?

KeDe