Kochbuchanleitung fürs Paschatum

■ EinFilmisteinFilmisteinFilm, einMannisteinMannisteinMann: Doris Dörrie ist in die männliche Unterhose geschlüpft und entdeckte dort, was wir immer schon wußten

Janet: Ich kann kaum glauben, was ich höre. Bert: Ich kann kaum glauben, was ich sage. Ich kann kaum glauben, was ich sehe.

Auf der ganzen Welt soll es zweieinhalb Milliarden Schwänze geben. Nein, nicht Schlappschwänze, auch nicht diese puscheligen Dinger am Hinterteil mancher Tiere. Es geht ganz profan um das primäre Geschlechtsmerkmal der Männer, auch Penis oder gar Glied geheißen, manchmal auch noch ganz anders. Allein in New York City sollen an die vier Millionen Exemplare dieser Schwellkörper existieren, die, abgehackt und aneinandergelegt, bequem von Manhattan bis Montreal reichen - wenn wir Frau Dörrie Glauben schenken dürfen.

Doris Dörrie ist ganz unzweifelhaft eine Frau, und sie mag Männer, wie sie nicht aufhört zu

betonen. Und so hatte sie offenbar reichlich Gelegenheit, ein sexuelles Postulat vieler Herren zu erfahren, das da schlicht lautet: Eigentlich bin ich ein Frauenfreund und will sie gar nicht bedrängen, aber was soll ich machen, mein Schwanz ist halt stärker als ich. Bums, aus.

Da Frau Dörrie eine Film-Regisseurin ist, sie das Buch Ich und Er von Alberto Moravia schon mal gesehen hatte und außerdem schon lange eine Produktion im Osten Amerikas (wohlgemerkt nicht in Hollywood) anstand, setzt sie diese Unternehmung mit Hilfe des deutschen Produzenten Bernd Eichinger in die Tat um.

„Hoch soll er leben, dreimal hoch“, grölt da doch jemand an Berts (Griffin Dunne) Geburtstag und schon nach kurzer Zeit wird dem biederen Familienvater und unsicheren Architekten klar, wer da so unflätig und nur für ihn hörbar die Feier stört. Sein Schwanz kann sprechen. Er souffliert und kommentiert von nun an ständig die geschlechtliche Mümmeligkeit seines Trägers und enerviert diesen damit bis an die Grenzen seiner Gereiztheit. Auf Schritt und Tritt werden wir nun Zeuge einer verbalen Aufstachelung, die ganz allein auf eines ausgerichtet ist: „Ich bin dein Schwanz und habe ein Eigenleben. Respektiere das gefälligst und verschaffe mir Möglichkeiten, meinen Wünschen nachzugehen“. So weit, so wirr.

Was da als durchaus interessantes und vergnügliches Gedankenbild angelegt ist, entpuppt

sich im Lande der unzähligen Sex-Reports bald als undifferenzierte, männerfreundliche Kochbuch-Anleitung fürs Paschatum. In der U-Bahn sind auf einmal, ach wie herrlich, alle Frauen in ihren Dessous zu sehen und im Grundbuchamt beurteilt das edle Körperteil die schweißfüßigen Versuche, eben diese zwischen die Beine einer Unbekannten zu zwängen, mit der Bemerkung: „Weißt Du, warum diese Beine so obzön sind? Sie sind fest geschlossen.“ Ach so.

Gerade diese Frau (Kelly Bishop) wird andertags Berts neue Kollegin im Archtektenbüro und nun gibts für Ihn schon gar kein Halten mehr. Auf sie mit Gebrüll, und wenn schon sie nicht, dann halt irgendeine andere. Egal welche. Da hat Frau Dörrie eine ganze Menge nicht kapiert. Sie will uns ZuschauerInnen weis machen, ein Mann hätte ein völlig platonisches Verhältnis zu seinem Schwanz. Wenn die Beliebige nicht will, herrscht der totale Notstand. Aber wenn die platte Befriedigung des sprechenden Schwanzes das einzige Ziel der Begierde ist, warum zum Teufel macht er es nicht selbst? Der dulle Bert legt nämlich nur Hand an Ihn, wenn es ans Pinkeln geht. Sonst nie, da reden sie nur miteinander.

So wogt die deutsch-amerikanische Phallokratie-Pruduktion zwischen kleinen Büronümmerchen, dem Bescheißen der Ehefrau und einer unerklärlichen wachsenden Attraktivität Berts bei den Frauen hin und her.

Und was lernen wir daraus? Es reicht einfach nicht, ein paar Männer zu kennen. Es reicht auch nicht, ganz opportunistisch eine Beck's-Flasche ins Bild zu rücken oder die Straße unter der Brooklyn-Bridge aus Leones Es war einmal in Amerika pittoresk in Szene zu setzen. Ein Film ist ein Film ist ein Film. Dazu gehört mindestens eine erzählenswerte Geschichte. Und ein Mann ist ein Mann ist ein Mann. Dazu gehört sein Schwanz. Die filmische Verdrängung einer sexuellen Schizophrenie der Mannes aus Frauensicht hat nur solange ihre Qualitäten, wie sie zumindest nachvollziehbar ist. Aber am Ende findet sich der lächerliche Bert im Schoße seiner Familie wieder und wenigstens die männlichen Kinobesucher können draußen angelangt ihren Geschlechtsgenossen vergleichend auf die Hose starren und denken: „Was hab‘ ich's doch gut, daß ich auch so einen habe.

Jürgen Francke

„Ich und Er“ im UT 4