Salto im Brandstifter-Prozeß

■ Staatsanwalt plädierte im Kind-Prozeß auf Freispruch für Wolfgang Kind - oder für Wiedereinstieg in die Beweisaufnahme Für Mitangeklagten Hildebrandt zehn Jahre Haft gefordert / Richter über die neue Strategie der Staatsanwaltschaft verwundert

Der Staatsanwalt verblüffte: Einen Freispruch forderte er für Wolfgang Kind, der wegen Anstiftung zur Brandstiftung und Versicherungsbetrug vor Gericht steht. Werner Hildebrandt hingegen, der laut Anklage jenen Brandstifter auftat, der im März 1984 sein Zimmer im Haus des Steuerberaters Kind angezündet hat und bei dem Feuer aus dem Fenster stürzte, soll mit zehn Jahren Haft bestraft werden. Während dem Angeklagten Kind die Brandstiftung nicht nachzuweisen sei, müsse der Mitangeklagte Hildebrandt als überführt angesehen werden. Staatsanwalt Fätkinheuer beendete sein gut zweistündiges Plädoyer mit einem Salto: nachdem er selbst zu Beginn der letzten Woche der Beendigung der Beweisaufnahme zugestimmt hatte, forderte er die Kammer mit insgesamt 14 neuen Anträgen auf, wieder in die Beweisaufnahme einzutreten.

Sollte die Kammer den Anträgen folgen, sei die Forderung nach einem Freispruch für Kind als hinfällig zu betrachten. Mit „Kunstfehlern“ des Gerichts begründete Staatsanwalt Fätkinheuer die prozessuale Pirouette. Das Gericht sei „frühzeitig, wenn nicht gar von Anfang an“, auf einen Freispruch programmiert gewesen. Deshalb habe die Kammer diverse Beweise ignoriert. Nichts sei unternommen worden, um Kinds Behauptung zu widerlegen, er habe durch das Feuer finanzielle Nachteile erlitten.

Der Staatsanwalt benannte eine Zeugin, die gesehen haben will, daß Kind und seine Geschäftspartner sich nach dem Feuer „vor Freude auf die Schenkel“ geklopft hätten. Die Zeugen Brühl und Wresnik habe die Kammer zwar gehört, doch nicht zu würdigen gewußt. Während Brühl, der vor Jahren mit Hildebrandt zusammen angeklagt war, im Brandstiftungsverfahren als einziger Belastungszeuge aufgetreten war (siehe taz vom Sonnabend), hatte der Zeuge Wresnik, vom Staatsanwalt ebenfalls als Belastungszeuge vorgesehen, auch nach mehrfacher Vorführung eisern geschwiegen. Eine Drohung, die er der Kammer jedoch nicht plausibel machen konnte, hinderte ihn, seine Belastung Hildebrandts zu wiederholen. Diese Zeugen möchte der Staatsanwalt noch einmal hören, und zudem will er Gutachter laden, die deren Glaubwürdigkeit bestätigen.

Die Brandsachverständigen, die im Verfahren zur Rekonstruktion der Brandstiftung nicht viel beitragen konnten, sollen ebenfalls erneut geladen werden. Weil die Polizei „miserable Brandermittlungsarbeit“ geleistet habe, so Fätkinheuer, gelte es nun, die Widersprüche zwischen den Thesen der Brandsachverständigen herauszuarbeiten. Daß der Staatsanwalt nun erneut in die Beweisaufnahme eintreten möchte, obwohl er sie in der letzten Woche abschließen wollte, nahm der Vorsitzende Richter mit „Verwunderung“ zur Kenntnis. Der Staatsanwalt selbst erklärte sich nicht: Man habe sich bis zum Donnerstag zu gedulden.

Werner van Bebber