Tanz auf dem Seil

■ Über einen ungewöhnlich-illegal-fragwürdigen Weg des Übersee-Museums-Direktors Ganslmayr, auf die finanzielle Misere seines Museums hinzuweisen

Ein Kaufmann an der Spitze des Senats gereicht der Freien Hansestadt Bremen gewiß zur Ehre und weckt nostalgische Erinnerungen an das verklärte Bündnis von Arbeitern und Kaufmannschaft. Zeitgemäß allerdings wandelt sich diese Allianz - wie St. Jürgen und sein Galla zeigen - in eine unheilige Allianz von Bürokratie und Kommerz. Man muß annehmen, daß es dem Senat trotz einiger unerfreulicher Begleiterscheinungen doch willkommen ist, wenn sich ein unternehmerischer Geist in seiner Verwaltung breit macht. So auch geschehen im Übersee-Museum, dessen rühriger Direktor Ganslmayr nicht nur zum Ruhme Bremens weltweit in den verschiedensten Beiräten und Vorständen tätig ist, sondern auch mit gewagten Finanzierungen sein Institut über Wasser zu halten versucht. Bei der Ausstellung „Aphrodites Schwestern“ hatte er er sich gleich mehrfach verkalkuliert: statt der erwarteten 45 % Schüler kamen nur rund 9 %, und auch die Transport- und Versicherungskosten für die aus Frankreich geholten Exponate überstiegen erheblich die Voranschläge.

Regelrecht riskant und daher wohl genuin unternehmerisch handelte er, als er einen Beratungsauftrag aus Djakarta reinholte, in dem es u.a. um die Planung von zwei Museumsneubauten ging. Obwohl feste Finanzierungszusagen nicht vorlagen, leistete Ganslmayr aus dem Haushalt des Überseemuseums 45.000 Mark vor, indem er eine Studie

für eine Ausstellung über die maritime Geschichte finanzierte.

Der Rechnungshof, noch nicht daran gewöhnt, daß bremische Finanzmittel zunehmend als „risk capital“ genutzt werden, zeigt in seinem neuesten Bericht wenig Verständnis und fragt befremdet, „wodurch das Übersee-Museum bzw. dessen Leiter ermächtigt war, eine derartige Aufgabe zu übernehmen“. Ganslmayr ist zerknirscht und räumt ein, daß er sich mit Mitteln des Übersee-Museums verspekuliert hat. Er bemüht sich, das für Djakarta ausgegebene Geld über ausländische Drittmittelgeber wieder zurückzuholen.

Dem Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst scheint die Sache unheimlich zu werden - jedenfalls hat er einen Sonderbeauftragten eingesetzt, der den Fall untersuchen soll. Ganslmayr liegt der Bericht nicht vor, und entgegen den üblichen Gepflogenheiten erklärt er nicht, daß er der Untersuchung „gelassen entgegensehe“. Davon könne durchaus keine Rede sein, ein Disziplinarverfahren hält er für möglich. Er sieht in dieser für ihn unerfreulichen Entwicklung jedoch auch eine positive Seite. Wegen der geringen Finanzausstattung des Übersee-Museums - er habe gerade 3.000 DM für Sonderausstattungen - operiere er mit seinen Finanzierungen ständig „am Rande der Legalität“, um aus dem Zirkel herauszukommen, daß ohne attraktive Sonderausstellungen das zahlende Publikum wegbleibe und ohne die Einnahmen

durch ein großes Publikum attraktive Sonderausstellungen nicht möglich seien. Hier müsse der Senator über eine angemessene Finanzausstattung des Museums nachdenken.

Der Senator sieht es wahrscheinlich anders; vielleicht gibt er ja auch einmal eine Studie über die Chancen und Risiken eines schöpferischen Unternehmertums in der Bürokrataie in Auftrag.

U.K.P.