Jetzt kommt kein Karton...

■ ...sondern eine blaue Kiste: BLUE BOX-Macherinnen Jutta Beyrich und Birgit Johannsmeier zeigen Kunstvidoes zur Verbesserung der Bremer Film-und Medienkultur und werden darum 14. und 15. Mitglied im taz-am-Mittwoch Culture Club

BLUE BOX ist ein eingetragener Verein für Kunst-Videos. Das klingt nach trendmäßig restlos durchgestylten Yuppie-Jung -Galeriebesitzern, teurem Designer-Interior und dezent klirrenden Sektgläsern (spanischer, methode champagnoise, knochentrocken). BLUE BOX aber wird ehrenamtlich, unbezahlt, new wave elegant und unkommerziell (also arm) gemacht von Jutta Beyrich und Birgit Johannsmeier.

Jutta ist 28 und hat Kunstpädagogik in Hildesheim studiert. Schwerpunkt (genau): Film und Medien. Sie macht eigene Videoproduktionen (Dokumentationen, museumspädagogische Aufträge, Umsetzung von Theaterstücken, experimentelle Videos), lebt von einer Art „Mischfinanzierung“, auf die wir nicht näher eingehen wollen (von BLUE BOX lebt sie nicht), hat einen net

ten Rothaarschopf und hält Video für „den spannenden Punkt, wo sich verschiedene Künste treffen“.

Birgit Johannsmeier ist zwei Jahre älter und wurde bereits auf einer Pressekonferenz des Bremer Theaters von Herrn Fangauf (dem Öffentlichkeitsdramaturgen) ganz positiv erwähnt. Der hat für die Kommunalkino-Reihe Filme zum Bremer Theaterprogramm „mit Frau Johannsmeier ganz ausgezeichnet zusammengearbeitet“. Birgit ist nicht gerade das, was man sich unter der Kommunalkino-ABM „Frau Johannsmeier“ so vorstellt. Unter schwarzem Wildhaar redet sie gern, viel und unterhaltsam aus knatschroten Lippen, war MTA (Lieblingsfach: Histologie, weil man sich da „mit schönen bunten Schnitten und toten Organen“ beschäftigen darf, was „vielmehr

mit BLUE BOX zu tun hat, als mein Lehramtsstudium“, das ich hier nicht erwähnen soll), trinkt aber tatsächlich gern spanischen Sekt (methode champagnoise, knochentrocken) aus Piccolos, die sie kistchenweise im Sonderangebot erwirbt.

BLUE BOX ist im wesentlichen eine Initiative des Filmbüros Bremen, ein 86er Zusammenschluß filmschaffender Bremer mit dem hehren Groß-Ziel der „kulturellen Filmförderung“. Lieblingswunsch des Büros: ein Filmhaus für Bremen mit Produktionsstätten und -geräten (VHS-Kamera und Recorder kosten im marktwirtschaftlichen Verleih um die hundert Mark plus ca. 2000,-Kaution, Schnittplätze können für 300-2000 Mark Tagesmiete benutzt werden), einer Kinomathek mit Fimlverleih, -archiv und bibliothek, einem

Kino für das Kommunalkino, Seminarräumen, Büros und Cafe. „Das ist der langfristige Anspruch“, sagt Jutta. Die kurzfristigen Forderungen des Büros beziehen sich eher auf einen Haushaltsposten Film (statt Vergabe von Lottomitteln), auf senatsgesponserte aber selbstverwaltete Bremer Filmförderung, auf eine eigene Spielstätte fürs Kommunalkino, das sich im Augenblick die Leinwand mit dem Cinema Ostertor teilt, und auf die Beteiligung Bremer Filmer an einem Kulturfenster-TV, falls mit einem neuen Mediengesetz Privat-oder Halbprivatsender in Bremen zugelassen werden würden.

BLUE BOX nun bedient gemäß dem Büro-Grundsatz der allgemeinen Filmförderung den Kunst-Video-Bereich, ein „Defizit in der Bremer Kulturlandschaft“, bis auf wenige Ausnahmen (Lehnstedter, ViDeo) eigentlich gar nicht vorhanden.

BLUE BOX ist dabei nicht auf Bremer Produktionen beschränkt, Künstler werden international (auf den Video -Festivals in Osnabrück, Bonn, Den Haag etc.) und direkt angesprochen, weil ein ausgebautes Vertriebsnetz für eine Bestellung nach Katalog in Deutschland noch nicht existiert. „In England, Frank

reich, Kanada und den USA sind die Strukturen viel besser entwickelt“, so Birgit, „hier müssen wir erst mal Überzeugungsarbeit leisten zur Bedeutung von Film-und Medienkultur überhaupt. Es gibt immer noch diese abwehrende Haltung Macht-Schriftkultur-kaputt-und-so.“

Die Beiträge, die dann jeden 4. Samstag im Monat (ja, jetzt, 24.9., 21 Uhr, Cafe Grün, Fedelhören 73) werden nach Unter

schiedlichkeit der Genres und Produktionsländer, dem Diskussionsanregepotential (über Video und audiovisuelle Medien überhaupt) und nach persönlichen Vorlieben ausgesucht. „Jeder kann seinen persönlichen Geschmack begründen“, so Birgit, „wir haben schon unsere Richtlinien.“ Einzige Einschränkung ist aber letztlich die Zugehörigkeit zur Sparte Kunstvideo und Neuheit. „Wir wollen nicht Sachen einfach nochmal zeigen.“

BLUE BOX durchläuft ab jetzt erstmal eine halbjährige Pilotphase, nach der feststehen sollte, ob man sich mit Senatsgeld (2200 Mark für ein Jahr), Sponsoren (Nordmende verleiht kostenlos die videotechnische Gerätschaft) und Eintrittsgeldern über Wasser halten kann.

Am Samstag gibt es übrigens „Das Rheingold“ (1986) aus Belgien, ein Video zur Wagner-Oper „Ring der Nibelungen“, wo bestimmte Bildembleme leitmotivisch den verschiedenen Figuren, Situationen und Ereignissen zugeordnet werden und das im Blue-Box-Verfahren (elektronische Mischung verschiedener Video-Bilder / Hintergrund-Einstanzung). Von glücklichen Meerjungfrauen, Goldschätzen, Liebe, Weltmacht und Kultur. „Pah! Nichts leichter! Luge du her!“, singsagt Alberich darin. Genau. Hingucken.

Petra Höfer