Wieviel Macht die Macht hat

■ Der Senat hat einen dicken Teppich oder: Die „Macht in Bremen“ liegt außerhalb der Landesgrenzen / Von der Verteilung des kleinen bremischen Restes / Eine Umfrage unter Männern, die etwas davon verstehen

Die Bremer sollen stolz sein auf ihr Rathaus. Schon die Einweihung des neuen Teppichs im Senatssaal ist unserer Landesregierung einen Foto-Termin wert, der liegt immerhin nicht irgendwo. Aber wieviel Macht wird hier wirklich ausgeübt?

Eine „Fiktion von Landesregierung“ sei das, sagt der Hochschullehrer, Europa-Abgeordnete und SPD-Landesvorstand Thomas von der Vring: In Hannover würde auch niemand davon ausgehen, daß der Oberbürgermeister viel Einfluß auf wesentliche Geschicke der Stadt nehmen kann. Am Beispiel der Fusion zwei wichtiger Betriebe, Daimler und MBB/Erno: „Macht“ der Landesregierung gibt es nicht.

Als Anteilseigner hätte Bremen, so von der Vring, höchstens ein „Störpotential“. Wie die Frau Dornier zumindest für ihre Erbengemeinschaft etwas herausgeholt hat, könnte Bremen einen Preis für Wohlverhalten einfordern - etwa Standortgarantien für die konkret bedrohten Rüstungs -Arbeitsplätze.

Wer hat in Bremen Macht? Handelskammer, Bundesregierung, Banken fallen dem Gewerkschafter Bernhard Baumeister (HBV, Angestelltenkammer, Gewoba) als erstes ein, wenn er Macht -Institutionen benennt: „Bremen ist in dem Sinne nicht mehr souverän.“ Die Gewerkschaften zählt er nicht zu den ersten Machtzentren.

Auch den Leiter des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung (BAW), Günter Dannemann, führt die Macht-Frage weit über die Landesgrenzen: hiesige Produktionsstätten größerer Unternehmen sind meist nur „verlängerte Werkbänke“. Finanzentscheidungen werden in Bonn und Brüssel getroffen - nur in diesen vorgegebenen Rahmenbedingungen kann in Bremen - „relativ gering“ - Macht ausgeübt werden. Nicht bei den Banken liege die, meint Dannemann, sondern dann doch bei der Landesregierung, sofern sie Strukturentscheidungen trifft: Einrichtung der Universität, Bau eines Container-Terminals in Bremerhaven, Ansiedlung von Daimler.

Die Reste von Macht, die in Bremen selbst ausgeübt werden, interessieren den CDU-Wirt

schaftspolitiker Günter Klein naturgemäß besonders. Die Handelskammer? Der Mittelstand sei „zunehmend im Schwinden“, meint Klein, lokale Wirtschaftsmacht sieht er zum Beispiel in der staatlichen Beteiligungsgesellschaft HIBEG - und an deren Kontrolle will die CDU als parlamentarische Opposition beteiligt werden. In Bremen herrsche oftmals ein „Interessengeflecht persönlicher Art“: Die bremische „Fil

zokratie“, die „alle gesellschaftlichen Bereiche, soweit sie von der SPD bestimmt werden“, durchzieht. Ein „sehr wichtiges“ Machtspiel in Bremen findet für den Oppositionsmann Klein zwischen „SPD-Administration und Basis“ statt. Entscheidend im regionalen Rahmen sind die Kombinationen: Ob zum Beispiel Betriebsleiter mit den Arbeitnehmer-Vertretern und der Landesregierung gemeinsam bremische

Interessen gegen andere Regionen vertreten. Als es um die Regionalisierung der Neuen Heimat ging, konnte der Gewerkschafter Baumeister außer den Gewerkschaften auch die Mieter mobilisieren - im Wahlkampf. In solchen Zeiten ist die Macht der Medien besonders groß, findet von der Vring. Ihre „Korrumpierungsmacht“ zwinge Politiker zum „Theater spielen“. Eben auf den Teppich zu kommen.

K.W.