Kolumbien: Mord auf Bestellung für 32 Dollar

■ Überangebot an Mördern drückt Marktwert des Lebens / Armut und Arbeitslosigkeit als Nährboden des Killertums / Nach Polizeistudie leben rund 1000 ausgebildete 'Bravos‘ im Land / Rauschgiftmafia ist Hauptauftraggeber

Bogota (ips) - Die Ermordung eines Bürgers von mittlerer Bedeutung ist in Kolumbien wohlfeil bereits um einen Lohn zwischen 32 und 64 Dollar zu haben. Einer „Markstudie“ der Polizei zufolge ist dieser Diskontpreis darauf zurückzuführen, daß der Markt durch ein Überangebot an Berufskillern ruiniert worden ist.

Etwa 1.000 bewaffnete und ausgebildete „Bravos“ sind im Lande mit der Tätigkeit des bezahlten Mordens beschäftigt, wie aus der Studie der Sicherheitsverwaltung (DAS) hervorgeht. Die Tarife für Morde, die je nach Erfahrung des Killers und Bedeutung des Mordopfers variieren, sind durch eine Inflation neuer „Arbeitskräfte“ derart gesunken, daß sich ein Feind bereits für 10.000 bis 20.000 Pesos aus dem Weg räumen läßt.

Die meisten Berufsmörder würden dabei in der Zentralregion des Magdalena-Tals, wo sich in den letzten Jahren die meisten Gewalttaten ereigneten, rekrutiert und ausgebildet, geht aus der Studie hervor. In den von den Drogenmafia kontrollierten Städten Cali und Medellin gebe es sogar richtige Mörderschulen. Dabei sei es die Arbeitslosigkeit, der Zerfall der gesellschaftlichen Bindungen und die Armut, die die Jugend in die Mörderbanden treibe. „Die Jugend ist besessen vom Gedanken einer schnellen und illegalen Bereicherung, und daher ist sie für das schnelle Geld und die Verbesserung ihres Lebensniveaus um jeden Preis höchst anfällig“, heißt es in der Studie.

Diese Feststellungen gründen auf durchgeführten polizeilichen Untersuchungen von Massakern an etwa 200 Bauern, von Morden an Beamten, Richtern, Polizisten, Linkspolitikern, Gewerkschaftlern und anderen. Unter den Mordbanden ragt diejenige der „Aprikosen“ aus Medellin hervor, die für die Morde an Justizminister Rodrigo Lara Bonilla, dem Höchstrichter Hernando Baquero und dem Leiter und Mitbesitzer der Tageszeitung 'El Espectador‘, Guillermo Cano, verantwortlich ist. Diese Bande vermietet auch Ausrüstungen an „betriebsfremde“ Killer, wie Handschuhe, kugelsichere Westen, Verkleidungen, Fahrzeuge und Waffen.

„Angesichts der geringen Rentabilität der Mordwirtschaft durch Marktübersättigung“, so die Untersuchung, haben sich diese Banden vom Mord auf alltägliche Kriminalität wie bewaffnete Überfälle, Bankraub, Diebstahl und dergleichen verlegt. Ausgebildet werden die Bandenmitglieder in Lagern, die schnell aufgelöst werden können, wenn Mitglieder geschnappt oder von Polizei oder „Kollegen“ erschossen werden. Die „Ausbildungskurse“ dauern drei bis vier Monate und werden von 50 bis 80 Schülern absolviert. Dabei lernen die zukünftigen Mörder den Gebrauch von Waffen und werden in Kommunikation, Überleben, Geländekenntnis und Selbstverteidigung ausgebildet.

Einer der Hauptgründe für das rapide Anwachsen der Mordbanden auf dem Land, so die DAS, besteht im Sicherheitsbedürfnis der Rauschgifthändler, die ihre Einkünfte traditionell in Landbesitz anlegen. In den Bezirken Boyaca und Cundinamarca, deren Hauptstadt Bogota ist, gibt es Banden wie die „Mayers“ oder die „Schlagbäume“, die im Dienste der Smaragdhändler stehen. Andere von der DAS identifizierte Banden nennen sich „die Großartigen“, „weiße Handschuhe“, „die Mönche“, „die Käsestückchen“ oder „Schlagobers“.

Die Plage der Berufsmörder, so die DAS, sei abgesehen vom bewaffneten Untergrund die größte Bedrohung des kolumbianischen Systems. Abgesehen von den Mordbanden gibt es in Kolumbien noch etwa 140 rechtsextreme paramilitärische Gruppen sowie sechs linksorientierte Guerillagruppen.