Durch's Fegefeuer zum Olymp

Olympisches Tennisturnier: Schwerreiche Profis stehlen Amateuren die Schau  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Den ersten olympischen Punkt auf dem Centre Court machte Wimbledonsieger Stefan Edberg: um 11.14 Uhr schlug der Österreicher Horst Skoff einen Aufschlagreturn ins Aus. Die Kulisse dieses für das Tennis historischen Moments war allerdings recht dürftig; gerade ein paar hundert Zuschauer verloren sich im neu erbauten Stadion, das 10.000 Menschen Platz bieten könnte. Dabei wird hier nach 64 Jahren wieder in einer Sportart um Medaillen gespielt, deren Teilnahme lange Zeit sportlich und politisch umstritten war.

Daß Tennis nun in Seoul ein richtiger Wettbewerb ist, wurde von IOC-Präsident Samaranch und Willi Daume betrieben, und der Chef des bundesdeutschen NOK hatte zur Prämisse gemacht, „entweder mit Profis oder gar nicht“. So einfach war das nicht, immerhin mußte man das Treiben der Tennis-Millionäre mit den Regeln der olympischen Charta zusammenbringen. Als dann im Mai 1987 bei der IOC-Vollversammlung die Entscheidung anstand, ward der Amateur auf Zeit erfunden.

Ursprünglich sollte der, quasi als Fegefeuer auf dem Weg zum Olymp, sechs Wochen lang nichts verdienen dürfen; vor und nach den Spielen von Seoul sollten je vierzehn Tage die Schläger Grand-Prix-Turnieren verbleiben. „Heuchelei“, befand der Schwede Svensson, „absolut lächerlich“. Das IOC hatte ein Einsehen, und so darf, wer in Seoul ausscheidet, am Tag darauf wieder richtig an die Arbeit.

Zur Dopingkontrolle aber müssen auch die Tenniscracks, und Werbung hat zu unterbleiben. Auf der Sportkleidung dürfen nur die Namen der Hersteller auftauchen, wo sonst diverse Firmenlogos kleben, bleibt die Wäsche weiß (Dem Italiener Paolo Cane reichte es zu keinem neuen Hemd, er spielte mit Klebestreifen am Ärmel).

Doch olympisches Gold lockt nicht alle. Martina Navratilova lehnte schnell ab, auch Yannick Noah mochte nicht „Amateuren die Schau stehlen, die sich vier Jahre lang vorbereitet haben“. Das Argument ist nicht unberechtigt, denn kaum stand Tennis auf dem Programm, schon überlegte das Fersehen, auf einen extra Kanal diese eine Sportart live zu übertragen. Die Ankunft von Steffi Graf stellte dann auch alles in den Schatten. Den Ansturm der Presse empfand der Hochspringer Dietmar Mögenburg „fast schon lebensgefährlich“.

Nicht nur von den Medien werden die Tennisstars verschärft beobachtet. Noch ist alles „ein Experiment“ (Daume), Wohlverhalten ist angesagt, wenn sich Tennis in Barcelona wieder auf dem Terminplan finden soll. Bis jetzt läuft alles gut, Steffi Graf ist ein „braves Mädchen“, Fahnenschwinger Dr. Reiner Klimke fand großartig, wie „sie sich bei der Eröffnungsfeier nicht einmal die Jacke auszog, während sich Zehnkämpfer Hingsen hinwarf und stöhnte“. Und alle Luxuskinder wohnen im Athletendorf, um den Funktionären zu beweisen, daß Tennisspieler „nichts besseres sind“. Der Flair einer großen Jugendherberge hat ja auch etwas: Für Chris Evert ist es ein aufregendes Erlebnis, zum Essen eine Stunde anzustehen, nur das ganze Jahr über wollte sie „auf den gewohnten Room-Service nicht verzichten“.

Beinahe wären ihr auch diese zwei Wochen erpart geblieben. Ende vergangenen Jahres kündigte die Internationale Konferenz gegen Apartheid in Harare (Zimbabwe) eine „geheime Strategie“ gegen die olympischen Tennispläne an. Grund: Nur wenige Verbände (durchgängig nichtolympischer) Sportarten pflegen entgegen einem UNO-Beschluß Kontakte mit Südafrika, Tennis gehört dazu. Mochte auch ITF-Präsident die politische Diskussion „überflüssig“ finden, einen Boykott schwarzafrikanischer Länder wie 1976 in Montreal - damals war Rugby der Auslöser - galt es zu verhindern. Die ITF wollte sich nicht zur einfachsten Lösung entscheiden, Südafrika aus dem Verband auszuschließen, es gab einen Kompromiß: Künftig können die Profis nicht mehr gezwungen werden, in Südafrika Grand-Prix-Turniere zu spielen.

Geld verdienen können sie auch anderswo genung, nur eben nicht während Olympia. Wer aber soll wachen über den Fluß der Geldströme, der nun versiegen muß? Vater Graf hält die Bestimmung ohnehin für „läppisch“, und Willi Daume läßt liberalen Geist walten: „Wir sind doch keine Polizeiorganisation.“

Und die Profis können in Seoul endlich mal nach Herzenlust drauflos fluchen. Zwar wurde die ganze Durchführung des Turniers der Grand-Prix-Serie entlehnt, nur Geldstrafen gibt es nicht. Logik: wer nichts verdient, kann auch nichts zahlen. Das wäre John McEnroes Chance gewesen.

Ergebnisse: Jelen (BRD) - Mecir (CSR) 7:5, 1:6, 2:6, 6:7; Edberg (SWE) - Skoff (AUT) 7:6, 6:2, 6:3,

Schapers (NED) - Tschesnokow (URS) 6:3, 5:7, 6:0, 6:2